#Frauen
Vor einiger Zeit habe ich nette Leute kennengelernt, die aber nicht Teil unserer Community werden wollten, denn wir vertreten den Ansatz, dass Männer und Frauen die gleichen Lehr und Leitungsaufgaben übernehmen können. Wo liegt das Problem? Die Bibel sagt ganz klar, dass beides für Frauen nicht erlaubt ist. Ihr nehmt die Bibel nicht so richtig ernst?
Dann hat es vor einiger Zeit ein anderes Gespräch gegeben. Da wunderte sich jemand, dass wir überhaupt erwähnt haben, dass Frauen und Männer die gleichen Möglichkeiten haben, sich in der Community einzubringen und zu leiten. Muss so etwas nicht selbstverständlich sein?
Schließlich leben wir im Jahr 2013. Wir haben zum wiederholten Mal eine Frau als Regierungschefin gewählt. Patriarchale Denkweisen haben wir in unserem Land hinter uns gelassen. Gleiche Rechte und Möglichkeiten, so sehen wir das heute. Nur die Christen haben das mal wieder nicht mitbekommen?
Und wie so oft liegt die Ursache des Konflikts darin, wie wir mit der Bibel umgehen. Dazu einige Gedanken.
Man könnte danach fragen, wie der Text funktioniert hat. Zu welcher Veränderung der damaligen Situation lädt der Text ein und was ist der Idealzustand, auf den solch eine Veränderung hinauslaufen soll?
Diese Sichtweise bleibt nicht beim Text stehen, sondern sucht einen Fluchtpunkt, der vielleicht gar nicht mehr im Bild zu finden ist.
Soll heißen: Was ist, wenn der biblische Text eine gesellschaftliche Entwicklung anstoßen oder bestärken sollte, deren Ziel in der Schrift aber noch gar nicht bekannt oder näher ausgeführt worden war? Was wenn wir maximal einige Andeutungen dessen finden, wie Gott sich die Welt vorstellt, der Geist Gottes durch die Schrift aber eine Bewegung auf dieses Ziel vorantreibt?
So kommen wir zu neuen Ergebnissen. Wir werden nicht versuchen, möglichst viele Bibeltexte möglichst genau in unser Leben übertragen. Stattdessen werden wir auf das übergeordnete Ziel sehen und uns Fragen, wie wir heute einen Schritt weiter in diese Richtung gehen können. Nehmen wir uns einen Text vor, der die Frage von Gleichberechtigung angeht:
Eine Frau soll in der Stille lernen, in aller Unterordnung. Ich erlaube aber einer Frau nicht, zu lehren, auch nicht, dass sie über den Mann herrscht, sondern sie soll sich still verhalten. Denn Adam wurde zuerst gebildet, danach Eva. Und Adam wurde nicht verführt, die Frau aber wurde verführt und geriet in Übertretung
– 1.Timotheus 2
Wenn man aus diesem Text entnehmen will, dass Frauen in der Gemeinde keine Lehr- oder Leitungsaufgaben wahrnehmen können, dann scheint das zunächst nachvollziehbar. Es steht doch da.
Aber wie hat der Text funktioniert?
Zunächst zum historischen Kontext.
Im ersten Jahrhundert war der Gottesdienst klar nach Geschlechtern getrennt gehalten worden. Dort hatten Frauen einen eigenen Bereich. Lehren war für sie Tabu. Die Rabbiner hatten vielmehr gesagt, dass „Wer dem Rat einer Frau folgt, der verfällt dem Gehinnom (der Hölle)“ (bBM 59a). Der Bibeltext aus Timotheus ist einfach auf Höhe seiner Zeit. (Offensichtlich haben sie aber in ihrem Bereich manchmal für Unruhe gesorgt, so dass Paulus die Frauen in Korinth zum Schweigen während der Gottesdienste auffordert – 1.Kor 14)
Der Text hier spricht aber von mehr, als von Gottesdienst. Es geht um Jüngerschaft. Damals wahr es üblich, dass jüdische Rabbiner einen Talmidim hatten, einen Kreis von Schülern, die er ausgebildet hatte. Auch Jesus hatte einen Talmidim von 12 Schülern. Paulus redet hier von Unterrichten im Sinne der Jüngerschaft, nicht im Sinne der Predigt. Lehren war ein Diskutieren mit dem Lehrer, eine Mischung aus Fragen, Antworten und Zuhören in kleiner Runde.
(Spannend: An einer anderen Bibelstelle war dieses Jüngermachen offensichtlich kein großes Problem. In Apostelgeschichte 18 lesen wir von Aquilla, die mit ihrem Mann einen gewissen Apollo im Glauben unterrichtet hat…)
Der Text scheint jedenfalls in seiner Entstehungszeit keine Einschränkung vorgenommen zu haben, die nicht ohnehin gesellschaftliche Realität war. Frauen haben im jüdischen Gottesdienst nicht gelehrt. Sie waren auch keine Rabbiner und hatten keine Talmidim.
Für unseren Text ist nun interessant, dass in den rabbinischen Schriften Frauen untersagt wurde, die Thora auch nur zu studieren. Man kann beispielsweise lesen: „Wer seiner Tochter die Thora lehrt, lehrt sie Ausschweifung“. (mSot 3,4).
Jetzt fällt auf, dass ein Lehrverbot eher nicht so ungewöhnlich gewesen sein konnte. Aber der erste Satz, der hatte es in sich!
Eine Frau sollte unbehelligt lernen dürfen? Sie sollte in den Lehrdialog einsteigen dürfen? Mitreden?
Das ist ein deutlicher Schritt – weg von damaliger jüdischer Praxis. Aber worauf zielte der Schritt wirklich? Paulus ist in einer Entwicklung einen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Aber ist er am Ziel angelangt? Und wohin bewegen wir uns jetzt, 2000 Jahre später?
Der Fluchtpunkt liegt nicht in Diskriminierung bestimmter Menschen, sondern in Freiheit und Gleichberechtigung.
Dahin möchten wir weitere Schritte gehen.
– Jason
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.