Stimmen – Bin ich ein Unmensch? (talk vom 20.07.14)

Stimmen – Bin ich ein Unmensch? (talk vom 20.07.14)

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Gerechtigkeit war das Thema in der letzten Woche (nachzulesen im vorherigen blogpost) – eine große Erkenntnis dabei war: Wir haben oft den Eindruck Gott fordere Gerechtigkeit von uns; dabei schenkt Gott Gerechtigkeit.

Das scheint mir ein Muster zu sein, das wir in allen möglichen Lebensbereichen wiederfinden. Wir haben allzuoft den Eindruck, dass wir etwas tun, etwas bringen, etwas leisten müssen, damit es läuft, wir gut und was wert sind …  Schließlich hören wir die Forderung sich einzusetzen und Leistung zu bringen, unserer Tage ja überall. Wer keine Überstunden macht, verliert seinen Job. Wer keine außerschulischen Aktivitäten und ehrenamtliche Mitarbeit nachweisen kann, braucht nach einer Lehrstelle kaum noch zu suchen. Die Familie fordert Zeit und Einsatz. Die Gemeindearbeit muss laufen und und und. Das hört sich ganz stark, immer wieder und immer mehr danach an, als wäre unsere Stärke unser Machertum. Je mehr geschafft wird, desto besser? Weil diese fordernden Stimmen so allgegenwärtig sind und ich selber das immer wieder und aktuell ganz stark so erlebe, dass viel mehr gefordert wird von mir, als ich schaffen kann, dass viel mehr Leistung erwartet wird, als ich abzurufen und er Lage bin – deswegen beleuchten wir heute einmal die andere Seite. Die, die zeigt, was passiert, wenn ich zu viel tue. Mehr leiste als gut ist.

Um dem nachzugehen, schauen wir uns 1. Könige 18 und 19 au dem Alten Testament an. Ein Zeitungsbericht über die dort geschilderten Ereignisse könnte sich in etwas so angehört haben:

 

„Ballspielen verboten! Elija beschert Baalspropheten auf dem Karmel vernichtende Niederlage! Entscheidungskampf um den Titel: Wer ist der wahre Gott Israels? Auf der einen Seite: Vierhundertfünfzig Propheten des Baal. Auf der anderen Seite: Elia, ein behaarter alter Mann. Die zu lösende Aufgabe bestand darin, Feuer vom Himmel herab zu rufen, um einen Holzstoß mit einem Opferstier darauf zu entfachen. Derjenige Gott, der dazu in der Lage ist, sollte zum Sieger erklärt werden.

Die Baal-Mannschaft begann als erste. Vom Morgen bis zum Mittag tanzten die Propheten kultig hüpfend um den Stier „Ihr Gott gab keine Antwort“, erklärte Elia später. „Ich fragte, ob er vielleicht verhindert sei, aber sie machten einfach weiter. Ich habe es schon immer gesagt: Mit dem ewigen Baalspielen kann man keinen Blumentopf gewinnen.“ Dann war Elia an der Reihe. Um die Sache nicht zu leicht zu machen, hatte er den Holzstoß mit Wasser übergossen: Niemand sollte glauben, ich würde schummeln“, erklärte er. Er trat nach vorne und betete zu Gott. Unmittelbar darauf kam Feuer vom Himmel, und der Stier wurde geröstet. Die Zuschauer gerieten in einen Freudentaumel, durchbrachen die Absperrungen, stürmten auf das Spielfeld und brachten die Baalspropheten auf Anweisung Elias um. „Nach dem Reglement ist es verboten, den Platz zu betreten“, sagte ein Ordner, „aber angesichts der aufgeheizten Atmosphäre räumte ich lieber möglichst unauffällig das Feld.“ Grimmigen Blickes, aber zufrieden, beobachtete Elija, wie das Volk Israel seine Rückkehr zu Gott feierte.“

Kurze Zeit später: Vor Elia steht ein Bote mit einer Nachricht von Königin Isebel. Sie will Elia töten. Auf einen Schlag ist alles aus! Das ist zuviel. Emotionaler Stromschlag. Das geht zu weit. Erst die ganze Strapaze mit den Baalspropheten und jetzt das. Damit hatte Elia nicht gerechnet. Sein Hochgefühl weicht totaler Entmutigung und Angst. So viel Angst, dass er flieht. 180 Kilometer weit durch ganz Israel. Elia rennt um sein Leben, bis er in der Wüste im Süden Judas angekommen ist. So viel Angst hat er. Unter einem Wacholderbusch bricht er zusammen. „Es reicht!“, sagt er. „Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr, ich bin fertig!“

Nach den krassen Erfahrungen mit Gott am Berg Karmel, folgt jetzt der gnadenlose Absturz. Alles, was sich in ihm angestaut hat, alle Emotionen brechen über Elia ein. Er ist am Ende – mehr ist er nicht mehr. Er ist fertig mit sich, mit Gott und dem Rest der Welt. Alle Reserven sind aufgebraucht. Batteriestand auf Minus. Elia sitzt unter dem Strauch und will sterben. Das will er wirklich. Er sieht keinen Sinn mehr in gar nichts. Alle haben ihn verlassen. Keiner steht zu ihm. Alle wollen ihn umbringen. Dabei hat er doch für Gott gekämpft. Dabei war er doch so erfolgreich. Aber jetzt ist alles aus. Nur noch der Tod scheint Sinn zu machen. Vor lauter Erschöpfung schläft er ein.

 

Wieso dieser krasse Absturz? Elia hatte doch Gott zur Grundlage und leben für ihn. Müsste da also nicht eigentlich etwas ganz starkes heraus kommen? Warum dieser Absturz? Wieso läuft es nicht super, wenn man sich als Stein voll reinhängt? Kann es sein, dass uns der kraftverheißende Dienst für Gott so auspowert? Dann hätten viele biblische Autoren, die uns zum Dienst für Gott auffordern, ja eine Anleitung zum sicheren Burnout gegeben. Das wollen wir denen ja nun mal nicht unterstellen. D.h. der Sturz muss woanders herkommen. Aber wo?

Könnt ihr euch vorstellen, wie Elia als der größte Prophet aller Zeiten bejubelt wurde, als das Feuer aus dem Himmel den Stier geröstet hat? Ich glaube, genau so hat er sich auch selbst gefühlt und gesehen.

Als ganz toller Kerl – als unersetzlicher Mitarbeiter – als frommer Superheld – als der, ohne den nichts läuft – als Gottes bestes Pferd im Stall.

Ja seine Grundlage war Gott. Ja, er hat für Gott wirken wollen. Er hat verstanden, dass das eine große Ehre ist. Er hat mitgearbeitet und Gott hat ihn gebraucht. Deswegen hat er Erfolg gehabt. Und genau der ist ihm zu Kopf gestiegen. Er fing an sich für besser zu halten, als er ist. Für größer und toller. Er fing an das, was Gott durch ihn tat, seiner eigenen Genialität zuzuschreiben und vielleicht auch ein wenig auf die anderen herab zu sehen, die weniger zu können schienen.

So fing er an, sich und seine Fähigkeiten zu überschätzen und mehr zu machen, als gut für ihn war. Sich größeren Herausforderungen zu stellen, als er aushalten konnte. Er fing an, Aufgaben zu übernehmen, zu denen er gar keinen Auftrag hatten. Ist es nicht ein Zeichen maasloser Selbstüberschätzung, 450 Baalspropheten niedermetzeln zu lassen, ohne, dass Gott einen Auftrag dazu erteilt hätte?

Gleichzeitig ist diese maaslose Selbstüberschätzung eine maaslose Selbstüberforderung. Zu viele Aufgaben, zu große Herausforderungen und Aufgaben ohne Berufung wachsen einem schnell über den Kopf, gehen über die Kräfte und laugen aus.

Wenn ich mich selbst für toller halte, als ich bin, werde ich mir Aufgaben aussuchen, die mich überfordern. Das wird mir die Kraft rauben. Dass das gerade in der Gemeinde immer wieder geschieht, dass Menschen anscheinend genau da zerbrechen, wo sie sich voll für Gott einsetzen ist etwas, wird den Teufel zu Freudensprüngen veranlassen. Dass der Zerbruch des Menschen von seiner eigenen Überschätzung her kommt, ist von außen oft schwer zu erkennen. Aber wenn wir uns anhören, was Elia sagt, wird es noch einmal deutlich.

 

Elia liegt unter dem Strauch und schläft. „Ich will sterben.“ hatte Elia gesagt, „Ich bin auch nicht besser, als meine Vorfahren.“ Warum sollte er auch besser sein, als die, die vor ihm da waren? Elia hat sich selbst überschätzt – hat gemeint, er wäre etwas Besseres. Hat sich blenden lassen von dem Gedanken: „Man, ich bin schon ein toller Hecht. Ohne mich als Prophet würde hier in Israel glaubenstechnisch gar nichts mehr laufen“. Deswegen der Massenmord an 450 Propheten ohne Befehl Gottes. Erklärt solch eine Tat, die jeden Menschen komplett überfordern muss, nicht auch seinen Absturz?

Auf jeden Fall ist die Überforderung so groß, dass er nichts mehr anderes kann, als schlafen. Alle Kraft ist herausgesogen. Schicht im Schacht. Aus die Maus. Der letzte Funken Energie hat das Licht ausgemacht.

Wer sich für besser hält, als er ist, lädt sich mehr auf, als er tragen kann. Das führt über kurz oder lang zum Zusammenbruch. D.h.: Wer sich überschätzt ist unmenschlich zu sich selbst.

 

Nach wiederholtem tiefen Schlaf und stärkenden Mahlzeiten macht sich Elia auf einen weiten Weg. Zum Horeb, dem Berg Gottes soll er gehen. Und das ist nicht um die Ecke. Elia wandert 40 Tage durch die Wüste – und 40 Nächte – ohne Pause. Ein langer Weg. Am Berg angekommen fragt Gott ihn: „Elia, was willst du hier?“ Und es sprudelt nur so aus ihm heraus: »Herr, ich habe mich leidenschaftlich für dich, den Gott Israels und der ganzen Welt, eingesetzt; denn die Leute von Israel haben den Bund gebrochen, den du mit ihnen geschlossen hast; sie haben deine Altäre niedergerissen und deine Propheten umgebracht. Ich allein bin übrig geblieben und nun wollen sie auch mich noch töten.« Moment mal … was erzählt der denn da? „Ich allein bin übrig geblieben“? Und was ist mit den Leuten auf dem Karmel, die Gott als DEN Gott Israels gefeiert haben? „Und nun wollen sie mich auch noch töten“? Wollte ihn nicht die heidnische Königin Isebell umbringen? Das Volk hat damit doch gar nichts zu tun oder? Auch warum Isebell Elia umbringen lassen will, verschweigt er. Schließlich hat er 450 ihrer Baalspropheten ermorden lassen – das wäre schon ein wichtiger Fakt in dieser Geschichte gewesen. Selbstüberschätzung führt zu völlig falscher Wirklichkeitswahrnehmung. Elia hält sich immer noch für den, der alles richtig gemacht hat und dem deshalb das Glück zufliegen müsste. Er hat sich so in diese Vorstellung verrannt, dass es für ihn keine andere Erklärung gibt, als dass alle, aber auch wirklich alle gegen ihn sind. Auch Gott. Er hat sich selbst so in die Überforderung getrieben, dass alles in ihm nur noch Augen für einen potentiellen Schuldigen hat. Mit der Realität hat das wenig bis gar nichts mehr zu tun.

Wer sich für besser hält, als er ist, will und kann nicht sehen, dass er sich mehr auflädt, als er tragen kann. Das führt über kurz oder lang zur Anschuldigung an die Gemeinde. D.h.: Wer sich überschätzt ist unmenschlich zu allen anderen.

 

 

Gott stattet Elia mit einem neuen Auftrag aus. Geh, salbe einen neuen König in Syrien und in Israel. Ich verspreche Dir: Du bist nicht allein. 7000 Mann sind übrig geblieben, die mich als den HERRN anbeten. Geh und mache Elisa zu deinem Nachfolger. Elia tut, wie ihm geheißen ist. Gott degradiert Elia nicht, weil er versagt hat. Elia hat sich selbst degradiert. Er wollte mehr gelten, als er bei Gott gilt. Er hat sich Aufgaben genommen, die ihm viele Schuhgrößen zu groß waren. Aber er hat damit niemandem einen Gefallen getan. Sich selbst nicht. Den anderen nicht. Und am wenigsten Gott. Elia hat sich mit dieser Massenmordkiste so überfordert, hat den Karren so vor die Wand gefahren, steckt so tief im Burnout, dass einfach zu viel kaputt ist. Zu viel, als dass er wieder so widerstandsfähig und leistungsfähig sein kann, wie vorher. Seine Kraft ist stark begrenzt. Und deswegen hören wir nur noch wenig von Elia. Es wird ab hier nicht mehr lange dauern, bis Gott ihn zu sich holt. Große, spektakuläre Aufträge hat er nicht mehr zu erfüllen, weil er dazu nicht mehr die Kraft hat – weil Gott nicht überfordert.

Wer sich für besser hält, als er ist, lädt sich die falschen Aufgaben und Belastungen auf. Das führt über kurz oder lang zur Reduktion der Kraft. D.h.: Wer sich überschätzt ist unmenschlich zu Gott und seinem Reich.

 

Dass das nicht nur ein Problem von Elia war, leuchtet hier mittlerweile wahrscheinlich jedem ein. In der Gemeinde gibt es viel zu tun. In Job, Schule und Familie auch. Jeder hier steht in der Gefahr, sich zu überschätzen, sich zu übernehmen und damit unmenschlich in alle Richtungen zu werden. Das muss gar nicht so krass sein, dass ihr 450 Pastoren ermorden lasst – es reicht schon, wenn ihr permanent so gestresst und gereizt seid, dass ihr unfreundlich zu den Leuten seid, denen ihr begegnet.

 

Wenn ich diesen Text lese, dann könnte ich jedes Mal heulen vor Beigeisterung darüber, wie toll unser Gott ist! Da ist ein Prophet, der viel mit Gott erlebt hat. Ein Mitarbeiter, der schon lange zu Gottes Familie gehört. Dieser Mitarbeiter hört nicht mehr auf Gott, sondern mutet sich zu viel und das falsche zu. Das saugt alle Kraft aus ihm heraus und es kommt zum Zusammenbruch. Und jetzt liegt er da, der Mitarbeiter. Ob unter dem Strauch oder auf dem Sofa ist egal. Und er kann nicht mehr. Er sucht den Schuldigen bei den anderen und bei Gott. Er wird ein bröckelnder Stein im Bau Gottes.

Hätte Gott da nicht alles Recht zu sagen: „Du gehst mir tierisch auf die Nerven! Mach, dass du wegkommst!“? Er hätte dieses Recht – aber er nutzt es nicht. Im Gegenteil. Gott sendet Elia einen Engel in die Wüste, der in mit backofenfrischen Teigwaren und Wasser versorgt. Er lässt Elia zum Horeb kommen und geht dort direkt an ihm vorüber. Er schenkt Elia also eine sehr, sehr nahe Begegnung mit ihm, die nur wenigen Leuten zu Teil wird. Er gibt Elia weiterhin Aufträge. Kleinere zwar, aber Gott gebraucht Elia weiter, wirft ihn nicht weg, lässt ihn nicht liegen. Gott gebraucht ihn weiter, nach seinen Fähigkeiten. Gott sorgt für eine Unterstützung und Nachfolge in Elisa. Und Gott bestraft die Leute, die Elia ans Leder wollten.

Gott setzt sich so für seinen Propheten ein – ich finde das einfach unglaublich.

Aber deswegen gilt:

Gott überfordert uns nie, sondern will uns als lebendige Steine vielfältig zu seiner Ehre gebrauchen. So sind wir richtige Menschen.

Wer sich aber selbst überschätzt, überfordert sich auch und wird damit zum Unmensch.

 

Christsein heißt: Ich gehe zu Jesus. Ich nehme ihn als Grundstein meines Lebens an. Ich lasse mich einfügen in Gottes Gemeindebau, um da zu seiner Ehre tätig zu sein. Ich nehme sein Urteil über mich und seine Aufgaben an. Je mehr Menschen in der Gemeinde das verstanden haben und leben, desto menschlicher – und damit gleichzeitig göttlicher –  wird die Gemeinde sein.

Wenn Du heute hier raus gehst – stell dir folgende Fragen:

  • Ist Jesus meine Grundlage? – Das ist entscheidend.
  • Bringe ich mich wirklich ein? In die Gemeinde, die Familie, die Arbeit …?
  • Weiß ich, was Gottes Aufgabe für mich ist? – So werde ich zu einem Menschen, wie Gott ihn sich gedacht hat.
  • Tue ich zu viel? Tue ich zu wenig? Tue ich das Falsche? Hab ich mir Aufgaben genommen, die mir zu groß sind?
  • Sehe ich jemand anderen, der zu viel tut und dem ich Diener sein kann und soll? – Stehe ich (oder stehen andere) in der Gefahr zum Unmenschen zu werden?

Ich wünsche jedem hier, dass er das für sich ganz fest weiß und sehen kann, was sein Job ist und was nicht. Dass er genau das tun kann, was Gott für ihn vorgesehen hat. Nicht mehr und auch nicht weniger

Ich wünsche jedem hier, dass Mosaik ein Ort ist, an dem Menschen merken, wenn ich zu viel oder das Falsche tue – und mich liebevoll darauf hinweisen.

Damit es immer menschlicher wird hier …


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