Episode 32 – Hat Gott Jesus getötet? #Tatortreiniger

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Episode 32 – Hat Gott Jesus getötet? #Tatortreiniger
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In diesen Tagen der Passionszeit denken wir wieder über das Leiden und Sterben Jesu nach. Für die Christenheit ist der Tod Jesu sehr zentral und man ist sich recht schnell einig, dass Jesus für unsere Sünden sterben musste. In dieser Episode erzählen wir davon, dass wir in den letzten Jahren die gängige Interpretation nicht mehr ohne Fragezeichen übernehmen konnten. Vielleicht muss der berühmteste Tatort der Geschichte neu untersucht werden. Mit so mancher Anekdote, aber auch mit einigem theologischen Gedankengängen versuchen wir uns dem Kreuzestod Jesu etwas unorthodox zu nähern…

 

Übrigends, die im Talk angesprochenen Blogartikel findet ihr hier: http://wirsindmosaik.de/ritus-suhne-und-opfer-teil-1/


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2 Antworten zu „Episode 32 – Hat Gott Jesus getötet? #Tatortreiniger“

  1. Avatar von Lukas Klette

    Moin ihr drei, vielen Dank für euren Podcast! Ich habe mich drüber gefreut und an manchen Stellen sehr geärgert – Ziel erreicht, ich danke euch für die Anregung! Was gelernt habe ich auch. Einige Anmerkungen möchte ich in die Diskussion einbringen.

    1. Ich bin voll bei euch, was das Hinterfragen überkommener Bilder und Erklärungsgeschichten angeht. Ob mit oder ohne bösem Willen haben unreflektierte Kreuzesauslegungen einigen Schaden angerichtet. Für die einen machen sie jede ernsthafte Beschäftigung mit dem christlichen Glauben unattraktiv, für die anderen bewirken sie eine hohe Fallhöhe, wenn sie dann das erste mal durchdacht oder – wie ihr es nennt – dekonstruiert werden. Wer das Kreuz noch nie scheiße fand, der hat ein ernsthaftes Problem. Ich würde nie jemanden vor einer ernsthaften Beschäftigung mit dem Kreuz durch Floskeln und schöne Stories ablenken wollen. Frei in Anlehnung an ein Wort von Kant: Glauben ohne wissen ist blind und Wissen ohne Glauben ist leer.

    2. Analoges gilt für die unkritische Übernahme althergebrachter Theologien wie der Satisfaktionslehre des Anselm. In meiner Sicht macht Anselm den Fehler, zu unkritisch mit den Vorgaben seiner eigenen Zeit umzugehen. Die zeitgenössischen Vorstellungen von Ehre und Herrschaft verleiten ihn dazu, den Konflikt der zum Kreuz führt auf Gottes Seite zu verorten. Als wolle Gott barmherzig sein, es sich dann aber nicht erlauben können. Aus historischem Abstand ist es natürlich geboten, diesen Mangel bei Anselm aufzudecken. Gott als beleidigte Leberwurst ist kein neutestamentliches Bild.

    3. So wie ich das sehe, ist das was bei Anselm mit der “Satisfaktionslehre” bezeichnet wird aber keinesfalls deckungsgleich mit dem Gedanken der “Existenzstellvertretung”. Anselm geht von einer Existenzstellvertretung aus, indem er Jesus als größeres Opfer anstelle des schuldigen Menschen ansieht, ja. Aber die Existenzstellvertretung ist dabei nur ein Teil seiner Argumentation. Sie lässt sich mithin also auch abgelöst von der Satisfaktionslehre betrachten.

    4. So betrachtet, bedeutet Existenzstellvertretung durchaus, dass Jesus an meiner statt sterben musste – dass da also tatsächlich etwas ist, dass eine Strafe Gottes herausfordert: Die Sünde. Ich verstehe darunter die Trennung von Gott, das Verfehlen des Zieles unseres Lebens, die Verwechslung meiner selbst mit Gott. In diesem Aspekt fand ich euch zu optimistisch. Gibt es bei euch keine Trennung von Gott? Ist das Böse nur ein Problem einiger weniger Menschen, die aus unerfindlichen Gründen böse Taten vollbringen?

    5. Ich will nicht den Eindruck erwecken, ein Freund von Schwermütigkeit, Pessimismus und Selbstkasteiung zu sein. Ich feiere es nicht, um meine Sünde zu wissen und ich halte es für ein phänomenales Missverständnis, wenn Christen die Sünde so groß machen, dass man ihnen die “vollkommene Freude” Jesu nicht mehr abspüren kann. Das ist dann mal so ein richtig klassischer Fall von Ziel verfehlt.

    6. Gleichzeitig weiß ich ziemlich genau was gemeint ist, wenn es beim Abendmahl nach klassischer
    Liturgie im Sündenbekenntnis heißt, wir haben “gesündigt in Gedanken, Worten und Werken”. Und fragt mal meine Frau, ob ich ohne Sünde bin.. 😉 Ich bin jedenfalls nicht der Supermensch, der Gott gerecht werden könnte. Und dass ich es durch Jesus auch nicht sein muss – das ist für mich Grund zur Freude.

    7. Die weiteren Deutungen des Todes Jesu finde ich interessant. Das stimmt – in Jesus leidet Gott mit, er ist den Kranken und Sterbenden nahe. Aber das ist doch nicht alles. Ein mitleidender Gott allein bewirkt kein ewiges Leben. Wir sind vom ewigen Leben abgeschnitten seit dem Fall – dafür brauchen wir die Medizin. Und die findet sich in Christus am Kreuz, der die Sünde des Menschen (nicht: die Beleidigung Gottes!) trägt. ‘Wer unter uns ohne Sünde ist, der schaffe die Existenzstellvertretung ab.’ Welche Rolle spielt für euch die Sündenthematik?

    8. Zum Thema Opferkult habe ich in diesem Zusammenhang übrigens viel gelernt bei Hempelmann, Heinzpeter – Herbst, Michael, Vom gekreuzigten Gott reden, Gießen 2011. Hat mich herausgefordert, aber auch informiert. Ohne das jetzt referieren zu können (die 3 Absätze habe ich grad wieder gelöscht, das Buch ist doch zu umfangreich…): Die beiden bieten durchaus eine nachvollziehbare Deutung des Sühnegedankens im Opferkult in seinem Bezug zur Kreuzigung. Kennt ihr das Buch?

    9. Die Frage nach unnötig aufs Kreuz gedeuteten Bibelstellen fand ich spannend. Die beiden, die mir in Erinnerung geblieben sind, haben mich allerdings nicht überzeugt. Im Kontext von Joh 3,16 vergleicht Jesus den Menschensohn kurz zuvor mit der ehernen Schlange, die erhöht werden muss. Wie bringt man das beides unter Abblendung der Kreuzesthematik zusammen? Gerade das Schauen auf den Gekreuzigten, das ihr – wie ich euch verstanden habe – für fragwürdig haltet, bringt im Kontext von Joh 3 mit Num 21 doch die Rettung. Nicht erst der Ostersonntag. Und Jes 53 ist nicht “von den Christen” auf Christus bezogen worden, sondern von dem Juden Paulus. Es ist also nicht so, dass “kein Jude” das so sehen würde – wenngleich es auch nicht so ist, dass alle Juden das so sahen und sehen. Vielleicht mögt ihr noch ein paar Bibelstellen schreiben, die für euch unangemessener Weise kreuzestheologisch gedeutet worden sind. Ich freue mich immer drüber, wenn mir traditionelle Tomaten von den Augen genommen werden.

    10. Insgesamt habe ich mich gefragt, was für euch die Kriterien für eine angemessene Rede vom Kreuz sind. Ist alles nur Rede über Gott oder traut ihr Gott auch eine gewisse Offenbarung zu? Sind die Vorstellungen einfach austauschbar oder gibt es da so etwas wie Faktizität? Ab und an habt ihr Bibelstellen zur Begründung herangezogen, an anderen Stellen klang es mehr nach persönlichem Gusto. In selbstanklagender Provokation möchte ich euch dazu eine Frage stellen, die mir immer wieder begegnet: Darf Gott auch so sein und handeln, wie es mir/dir/euch nicht gefällt?

    Hey, wenn ihr’s bis hierhin geschafft habt – vielen Dank fürs Lesen! Ich bin gespannt auf eure Reaktion. Wie geschrieben – ich habe mich über die Folge geärgert und gefreut. Danke für die Anregungen. Bleibt dran und #BleibtBärtig. Lukas vom @offenbartcast

    1. Avatar von Jason Liesendahl
      Jason Liesendahl

      Moin Lukas,
      also wenn wir verärgert haben, dann haben wir ja alles richtig gemacht 😉 Aber zunächst einmal herzlichen Dank für die ausführliche Rückmeldung, da wirst du einige Zeit dran gesessen haben…

      Deine Kritik an „Stories“, die theologische Überlegungen überlagern, teile ich. Ebenso deine Kritik an Anselm, nebenbei: Auch der große evangelikale Vordenker John Scott hat Anselm aufgrund seines Bezugs auf das Feudalsystem kritisiert. Ob man die Existenzstellvertretung losgelöst von der Satisfaktion verstehen kann weiß ich nicht – ging es nicht darum, dass Jesus die Ehre Gottes wiederherstellen muss? Ich meine, dass Genugtuung schon sehr zentral für Anselm ist. Ich kann mich aber irren.

      Wenn es um Strafe geht, dann meine ich, dass die Bibel hier ein sehr differenziertes Bild abgibt. Ich beziehe mich hier auf Bernd Janowski in „Ein Gott der straft und tötet“. Kerngedanke: Der Gott der hebräischen Bibel überwindet den eigenen Impuls zu Rache, Gewalt und Strafe. Ich sehe hier in der Bibel eine Weiterentwicklung des Gottesbildes hin zu Jesus, der „Vater vergib ihnen“ sagen kann.

      Wenn es um die Trennung von Gott geht, da haben wir wirklich eine andere Sicht. Ich empfehle hierzu unsere Folge mit Thorsten Dietz und die anschließende Debatte. Ich nehme die Frage einmal mit für die Folge 29. Hier nur so viel: Angelehnt an die Prozesstheologie glaube ich, dass es keine Trennung von Gott gibt, wir alle sind mit Gott in jedem Moment in einem Gespräch und sind mit Gott verbunden. Allerdings bedeutet Sünde, dass wir in einer Beziehungsstörung zu Gott leben. Damit ist Sünde durchaus ein Problem für uns alle. Das hat Thorsten stark dargestellt. Hier der Eintrag zum Thema: http://wirsindmosaik.de/kann-sunde-von-gott-trennen/

      Mit dem Abgeschnittensein vom ewigen Leben kann ich so erst einmal wenig anfangen. Ewiges Leben ist für mich nichts im Jenseits, es ist Fülle des Lebens im Diesseits, es ist das erleben von Intakten Beziehungen zu mir selbst, Gott und meiner Umwelt. Mit dem Fall habe ich auch so meine Fragen, da ich nicht an die Story glaube: Perfekte Schöpfung – Fall – Rettung. Ich glaube, dass die Welt immer unfertig und nie perfekt war. Daher glaube ich nicht, dass das Kreuz für ewiges Leben nötig war. Ewiges Leben entsteht da, wo die Schöpfung auf Gottes Reden und Wirken im Hier und Jetzt reagiert. Ich stimme dir zu: „Ein mitleidender Gott allein bewirkt kein ewiges Leben“ – es bedarf einer ständigen Lebensschaffenden Aktivität Gottes in der Welt…

      Den Hempelmann habe ich gelesen, er vertritt meiner Meinung nach aber eine Stellvertretende-Strafübernahme, die zwar nicht so brutal klingt, aber im Grunde schon stark an Calvin erinnert. Ich habe ihn als „Gegengewicht“ zu anderen Büchern gelesen. Ich meine, dass er aber die historische Deutung der Sühne längst nicht so akribisch betreibt, wie es andere machen. Mir haben folgende Bücher besser gefallen:
      Für uns gestorben: Sühne – Opfer – Stellvertretung12. Januar 2010
      von Volker Hampel und Rudolf Weth

      Deutungen des Todes Jesu im Neuen Testament Taschenbuch – 18. Juli 2012
      von Jörg Frey (Herausgeber), Jens Schröter (Herausgeber)

      Stricken by God?: Nonviolent Identification and the Victory of Christ25. September 2007
      von Brad Jersak und Michael Hardin

      Für unsere Sünden gestorben?: Ein Beitrag zur aktuellen Diskussion Kindle Edition
      von Burkhard Müller (Autor)

      Die Erkenntnisse aus diesen Büchern habe ich in einer kleinen Blogserie zusammengefasst. Dort gehe ich insbesondere auf verschiedene Bibelstellen ein, u.a. Jes 53. http://wirsindmosaik.de/ritus-suhne-und-opfer-teil-1/

      Dein letzter Punkt ist wieder sehr herausfordernd. Ein Konzil sagte einmal: „All unsere Rede über Gott ist mehr falsch als richtig“. Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Einerseits würde ich sagen, dass Gott natürlich nicht nur so sein darf, wie ich ihn gerne hätte. Dann ist es mir aber wichtig, dass Gott in erster Linie so ist, wie Jesus. In Jesus sehe ich am ehesten so etwas wie Faktizität. Nur wer will von sich behaupten, Jesus wirklich zu kennen. Wir haben darüber hinaus nur über Zeugen vermittelt Informationen über Jesus. Damit kann man zwar arbeiten, aber es bleibt immer eine gewisse Unklarheit – und die finde ich extrem wichtig. Theologie ist immer ein Gespräch und wir reden von einem Gott, der uns letztlich nicht fassbar ist, d.h. unser Denken ist immer nur Annäherung. Dennoch: In Jesus erkenne ich einen Gott, der auf Gewalt und Rache verzichtet. Das ist für meine Theologie maßgebend. In der nächsten Folge werde ich argumentieren, dass eine Haltung der Rache und Gewalt einfacher zu glauben ist, als eine der Versöhnung…
      Noch einmal Danke für dein Mitmischen…#bärtigegrüße
      – Jason

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