Ich war Hals über Kopf in diese hübsche Studentin verliebt, es gab nur ein Problem: Sie wollte Predigerin werden. Wir lernten uns auf einem Jugendgottesdienst kennen, bei dem ich selber als Redner eingeladen war. Nach dem Gottesdienst kamen wir zufällig ins Gespräch und mich hatte es direkt erwischt. Es folgte ein reger Mailaustausch und irgendwann dann auch die Frage, was man so mit seinem Leben anstellen möchte. Sie wollte predigen. Und sie wollte wissen, was ich davon halte.
Mir war bewusst, dass es so einige bekannte Predigerinnen gibt, die ganz offensichtlich Gutes bewirkten. Nur hatte ich die Bibel bislang immer so verstanden, dass Gott das Predigen nur den Männern auferlegt hat. Ich schrieb daher in die Mail, dass ich in der Frage noch nicht sicher sei. So erhoffte ich mir ein wenig mehr Zeit herauszuschinden, um mich ein bisschen mehr in die Materie einlesen zu können. Es sollte sich herausstellen, dass sie mir alle Zeit der Welt lassen würde, nur an einer tiefergehenden Beziehung war sie nicht mehr interessiert.
Ich wäre heute nicht mit dieser Frau verheiratet, wenn ich wenige Monate später meine Sichtweise nicht doch noch geändert hätte. Und ja, für diese theologischen Änderungen spielen ganz verschiedene Motivationen eine Rolle, ganz sicher nicht bloß ein neutrales, ergebnisoffenes Erforschen der Heiligen Schrift. Ich hatte ganz offensichtlich meine Gründe, warum ich mich für eine Öffnung meiner Theologie entschieden habe. Nur soll mir einer beweisen, dass Gott nicht auch Verliebtheit nutzen kann, damit wir uns in eine gute Richtung entwickeln.
Mein Problem war, dass die Bibel in der Sache klar schien. Paulus sagte es in dem Brief an die Korinther: „Die Frauen sollen schweigen in den Versammlungen, denn es ist ihnen nicht erlaubt zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt.“ In verschiedenen Büchern wurde dieses Schweigegebot damit begründet, dass sich Gott eine gewisse Hierarchie zwischen Mann und Frau, eine Schöpfungsordnung ausgedacht hat. Die Frau soll sich deswegen in Ehe und Gemeinde unterordnen.
Paulus hat immer mal wieder von dieser Ordnung geredet und deutlich gemacht, dass Männer und Frauen sich eben nicht auf Augenhöhe begegnen:
„Ich will aber, dass ihr wisst, dass Christus das Haupt eines jeden Mannes ist; der Mann aber ist das Haupt der Frau; Gott aber ist das Haupt Christi.“ 1.Korinther 11
„Ihr Frauen, ordnet euch den Männern unter wie dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist, die er als seinen Leib erlöst hat. Aber wie nun die Gemeinde sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen ihren Männern unterordnen in allen Dingen.“ Epheser 5
Statt einer Gleichberechtigung gibt es eine pyramidenförmige Hackordnung, bei der Gott über dem Mann steht und der wiederum über der Frau. Daher können Frauen auch nicht den Männern nachsagen, sie würden die Frauen unterdrücken, schließlich baut die Pyramide darauf, dass alle Menschen Gott untergeordnet sind. Man muss sich also schon bei Gott beschweren.
Wie sieht es nun im Alltag aus, wenn Menschen diese Pyramidenstruktur beispielsweise in einer Ehe anwenden? Der amerikanische Pastor Tim Keller hat sich dazu geäußert. Er glaubt daran, dass der Mann als „Haupt der Frau“ eine besondere Verantwortung hat, in dienender Weise und nicht zu seinem eigenen Vorteil eine Führungsrolle zu übernehmen. So soll er beispielsweise in Pattsituationen die letztliche Autorität haben:
„Ein Haupt wird seine Autorität zu überstimmen nur dann einsetzen, wenn er glaubt, seine Partnerin tut sich oder der Familie etwas Zerstörerisches an.“
Da in einer Ehe nun einmal lediglich zwei Stimmen vorhanden sind, kann es im Zweifelsfall keine Mehrheitsentscheidungen geben, so dass es notwendig ist, dass der Mann die Frau überstimmen kann. Die Frau müsse sich dem als Gehorsamsakt gegenüber Gott unterordnen.
Für Keller ist es wichtig, dass diese Unterordnung nicht dasselbe wie eine Minderwertigkeit der Frau ist. Beide Partner seien gleichwertig, sie hätten nur andere Rollen. Diese Sicht nennt man nebenbei Komplementarismus. Der Mann hat die Führungsrolle, die Frau ist die „Helferin“.
Keller macht in seinem Artikel einen interessanten Move: Er begründet die Hierarchie der Geschlechter damit, dass Christus sich Gott untergeordnet habe. Die Hierarchie wäre demnach in der Trinität verankert, weil der Vater dem Sohn übergeordnet sei. Keller spricht von Unterordnung als Wesen der Trinität.
Und hier möchte ich ansetzen.
Was man auch immer darunter verstehen mag, dass „Gott das Haupt Christi“ ist, es dürfte keine Hierarchie sein. Als die alte Kirche die Lehre der Trinität formuliert hat, wurde die Idee, dass die Personen der Trinität hierarchisch angeordnet sind, als Irrlehre verworfen. Das Stichwort dazu ist Subordinationslehre.
Kann man sich vorstellen, dass Gott der Vater und der Sohn sich streiten, nicht übereinkommen und am Ende Gott der Vater die Chefkarte ausspielt, und seinen Sohn mit aller Autorität überstimmt? Ich denke nicht.
Selbst wenn Jesus betet, „Nicht mein Wille, sondern der Deine geschehe“ ist das sicher kein Hinweis darauf, dass Jesus zum Vater in einer Befehlsempfänger Beziehung stand. Jesus hat Gott „Abba“ genannt, das deutet auf Intimität hin, nicht auf Unterwürfigkeit.
Ein weiterer Punkt hat dazu beigetragen, dass ich meine Theologie in dieser Frage gründlich ändern konnte. Und zwar habe ich gelernt, dass die biblische Schöpfungsordnung nicht nur auf Gott, Mann und Frau bezogen ist. Paulus redet oft von einem „Haushalt“, da es den Begriff der Familie damals noch nicht gab. Zu einem Haushalt gehörten aber neben den Kindern auch noch Sklaven und Nebenfrauen.
Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, und habe alle Stellen über Sklaven und Nebenfrauen in der Bibel studiert. Den Israeliten war es ausdrücklich erlaubt, Sklaven zu kaufen oder auch eigene Kinder in die Sklaverei zu verkaufen (2.Mose 21,2ff). Im selben Kapitel wird dann auch deutlich, dass Sklaven mit einem Stock geschlagen werden durften, solange man sie nicht umbringt.
Sehr erhellend finde ich in diesem Zusammenhang, dass im 1. Petrusbrief Kapitel 2 von den Sklaven erwartet wird, dass sie sich ihren Herren unterordnen sollen, auch wenn es bedeutet, dass man Schläge erdulden muss. Danach heißt es, dass die Frauen sich in derselben Weise unterordnen sollen. Als Beispiel wird die Frau des Abraham genannt, die ihren Ehemann mit „Herr“ angeredet hat und ihm gehorsam war.
Setzt man sich ein wenig damit auseinander, was Schöpfungsordnung alles beinhaltet, dann wird es etwas ungemütlich. Leider versuchen dann einige, diese Themen zu relativieren, beispielsweise indem man argumentiert, dass Sklaverei zu Zeit Jesu gar nicht so schlimm gewesen sei. In meinem Geschichtsstudium hörte sich das mit der Sklaverei in der Antike ehrlich gesagt nicht so toll an, vielleicht lernt man an der Bibelschule das aber anders (Dann ist es aber trotzdem nicht zutreffend).
Man kommt aus der Nummer nicht heraus. In biblischen Zeiten herrschte ein hierarchisches Gesellschaftsbild, das mit dem Bezug auf Gottheiten legitimiert wurde. Die biblischen Autoren haben diese Argumentationsweise übernommen und daher stehen diese Dinge in der Bibel. Man kann in der Bibel Texte finden, die für den Antiken Kontext unglaublich fortschrittlich waren, aber man muss anerkennen, dass die Bibel lange Zeit vor der Erklärung der Menschenrechte geschrieben wurde. Darin sind viele Dinge, die aus heutiger Sicht primitiv und sexistisch sind.
Ich würde sagen, dass man als Christ das auch so benennen darf. Es hilft wenig, die Bibel zu verteidigen, ein ehrlicher Umgang mit diesem heiligen Buch führt weiter. Als Christ darf ich ein kritisches Verhältnis zur Bibel haben und ich darf dankbar anerkennen, dass die Gesellschaft sich mit Gottes Hilfe weiterentwickelt hat. Wir leben in einem Land, in dem Sklaverei verboten ist und Frauen per Gesetz gleichberechtigt sind. Anstatt jetzt zu sagen, dass die Bibel aber trotzdem besser weiß, wie Gesellschaft funktioniert, kann ich gelassen hinnehmen, dass die Bibel in einer anderen Zeit geschrieben wurde. Und dann kann ich mir völlig neu Gedanken machen, was Gott mir darin heute zu sagen hat.
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