Weil es in der Bibel steht

Wir alle haben unsere religiöse Prägung. Sie ist für mich wie ein WG-Mitbewohner, der von Zeit zu Zeit tierisch auf die Nerven geht. In Anlehnung an Pastrix möchte ich meine religiöse Prägung einmal Francis nennen und den Leser mitnehmen in die unaufgeräumte Männer WG meiner eigenen spirituellen Reise. Nach Teil 1 hier eine weitere Episode. Vorsicht, besonders ausgeprägt: obszöne und vulgäre Sprache. 

Ich: Weißt du was ich bei dir nicht verstehe? Du glaubst wirklich, dass alles, was in der Bibel steht, gut ist. Oder nicht?

Francis: Die Bibel ist Gottes vollkommenes Wort, darin hat er uns eindeutig und klar seinen Willen mitgeteilt. Die Bibel definiert was aus Gottes Augen gut und was schlecht ist. Klare Sache.

Ich: Und hier hängst du mich ab. Aber dann frage ich dich einmal direkt, was sagst du dann zu Jesaja 13? Den Text habe ich heute in meiner Andacht gelesen, und mir ist dabei schlecht geworden.

Francis: Ich schau mal nach. Zugegeben, den Text habe ich lange nicht mehr angesehen…Also, da steht: „Ich, der Herr selbst, habe meine Geheiligten beauftragt und meine stolzen, siegreichen Helden herbefohlen, um mein Zorngericht zu vollstrecken.« Hör den Lärm der Menschenmengen in den Bergen! Es ist der Lärm von Königreichen, deren Völker sich versammeln. Der allmächtige Herr mobilisiert eine Armee für die Schlacht. Sie stammen aus fernen Ländern, von allen Enden der Erde – der Herr und die Werkzeuge seines Zorns – um das ganze Land zu vernichten. (…) Dies wird durch den Zorn des allmächtigen Herrn am Tag seines Zorns geschehen. Die Menschen werden zu ihrem Volk und in ihre Heimatländer fliehen wie aufgescheuchte Gazellen oder eine Schafherde, die niemand mehr beieinander halten kann. Wer auf der Flucht erwischt wird, wird durchbohrt werden, wer gefangen genommen wird, durch das Schwert sterben. Ihre Kinder werden vor ihren Augen zerschmettert werden. Ihre Häuser werden geplündert und ihre Frauen vergewaltigt. Denn ich werde die Meder auf sie hetzen, die sich weder mit Gold noch mit Silber bestechen lassen. Sie werden die jungen Männer mit Pfeilen erschießen. Selbst mit Säuglingen werden sie kein Erbarmen, mit Kindern kein Mitleid haben.“

Ich: Massenvergewaltigung und Kindermord – an so einen Gott willst du glauben? Jetzt einmal im Ernst: Ist Vergewaltigung und Mord an Kindern gut, wenn es der Gott der Bibel fordert? Ist es richtig, Vergewaltiger als „stolze Helden“ zu bezeichnen, weil der biblische Gott es tut?

Francis: Es geht hier um Gottes Gericht. Und wenn Gott richtet, dann richtet er alle; darum sind Kinder und Frauen der Willkür der Gerichtswerkzeuge preisgegeben.

Ich: Francis, du bist ein verdammter Mistkerl, wenn du das glaubst. Und jetzt komm mir nicht wieder mit „dein Herz ist verdorben“ oder „sollte Gott gesagt haben ist die Frage des Teufels“. Wenn du Vergewaltigung eine Heldentat nennst, weil die Bibel das in bestimmten Fällen so sieht, dann pack ein.

Francis: Ich MUSS das glauben, es steht eben in der Gottes Wort!

Ich: Und deswegen darfst du nicht mehr denken? Dein Glaube ist wie ein Kartenhaus, zieh eine Karte – einen Bibelvers – heraus, und alles stürzt zusammen. Du kannst über jede Frage nachdenken, aber wenn es um die Bibel geht, dann hört dein Denken auf. Wenn etwas in der Bibel steht, dann kannst du auf einmal nicht mehr kritisch denken, kannst nichts mehr hinterfragen und erst recht keine andere Meinung vertreten.

Francis: Ja, aber was ist die Alternative? Dann ist doch alles im Ermessen von uns Menschen. Dann sind wir Herr über die Bibel! Und dann können wir einfach rausstreichen, was uns nicht passt. Das will ich noch viel weniger!

Ich: Kein seriöser Theologe würde das tun. Aber du scheinst noch nicht einmal zu wissen, wie ernsthafte Theologen mit der Bibel umgehen. Du hast garantiert noch keinen Theologen gelesen, der anders mit der Bibel umgeht. Und das regt mich auf!

Francis: Ich lese eben die Bibel, was Theologen sagen, interessiert nicht. Gottes Wort spricht für sich. Ich glaube eher, dass wer diese Theologen liest Gefahr läuft, an seinem Glauben Schaden zu nehmen.

Ich: Lese die Bibel mit offenen Augen, das kann deinen Glauben fertig machen. Aber vielleicht bist du gar nicht in der Lage, dich ehrlich mit dem Text auseinanderzusetzen. Vielleicht übergehst du die fiesen Texte einfach, weil du mit ihnen nicht umgehen kannst.

Francis: Auf der Ebene reden wir jetzt? Ist das dein Ernst?

Ich: Wenn du ein bisschen ehrlich zu dir bist, dann müsstest du doch erkennen, dass es wenigstens ein bisschen unvereinbar ist, was Jesus über Feinde sagt und was Jesaja über Feinde sagt. Feindesliebe, Kindermord und Vergewaltigung – passt das für dich zusammen?

Francis: Ich muss darüber nachdenken.

Ich: Lies mal Luther. Der hat gesagt, „alles, was nicht Christus treibet, ist nicht evangelisch.“ Wenn du Jesus ernst nimmst, dann musst du an so mancher Stelle der Bibel energisch widersprechen – im Namen Jesu.


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