Stimmen: Heiko und seine Geschichte mit dem Thema Gerechtigkeit

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In der Stimmen Serie geht es um Geschichten von Menschen, die einen Unterschied in der Welt machen wollen und Gottes Herzschlag teilen möchten. Neben den Talks am Sonntag haben sich einige Menschen zu Interviews bereit erklärt. Den Anfang macht Heiko Metz, Leiter der Arche in Düsseldorf. Er hat wirklich etwas zu sagen – viel Spaß! 

 

Was sind in deinem Leben mit Gott “Aha-Momente” gewesen?

Viele gäbe es da aufzulisten … Gott ist gefühlt quasi ein Aha-Momente-Gott :-)!
Eins nenn ich mal als Beispiel. Beim routinemässigen Bibellesen fällt mir bei einem Text, zu dem ich schon viele Andachten und Predigten gehört, ihn noch öfter gelesen und sogar schon selbst dazu gepredigt habe, auf einmal etwas für mich ganz Neues auf. Das steht da natürlich schon immer, aber ich habe bisher noch nie wahrgenommen.  Mt5,13-16 – da steht am Ende: „So soll auch euer Licht vor den Menschen leuchten: Sie sollen eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (NGÜ) Ich hatte immer gedacht, es geht (hier) vor allem darum, dass wir anderen davon erzählen, wie Gott ist und warum sie ihn in ihrem Leben brauchen könnten und so … dabei steht da, dass die Leute Gott erkennen und ihn preisen werden – weil sie die guten Taten von Christen und Gemeinden sehen. Ein ziemlich großer Aha-Moment für mich in Bezug auf Evangelisation, Diakonie und das Gewicht guter Taten…

Was beschäftigt dich gerade an spirituellen Themen, was sind dein noch nicht fertigen Gedanken?
Mich beschäftigt gerade (und das eigentlich schon seit Längerem) das Thema des „cosmic christ“, die Frage danach wer wie zu Gott gehört und wer nicht und warum und wer das eigentlich entscheidet. Richard Rohr fasst das gut zusammen, wenn er schreibt: „Wherever we are connected, in right relationship, you might say “in love,” there is the Christ, the Body of God, and there is the church. But we whittled that Great Mystery down into something small, exclusive, and manageable too. The church became a Catholic, Orthodox, or Protestant private club, and not necessarily with people who were “in communion” with anything else, usually not with the natural world, animals, with non-Christians, or even with other Christians outside their own denomination. It became a very tiny salvation, hardly worthy of the name. God was not very victorious at all.“ Das sind für mich spannende, neue, nötige Gedanken, mit denen ich erst ganz am Anfang stehe … !

Dir ist das Thema Gerechtigkeit sehr wichtig. Was ist denn deine eigene Geschichte mit dem Thema?
Das ist ein mindestens abendfüllendes Thema eigentlich. Aber in kurz gefasst, habe ich immer wieder gesehen, erlebt und erlitten, dass Ungerechtigkeit der Normalfall ist in unserer Welt – und Menschen auf vielfältigste Art und Weise leiden und gebunden sind. Auf der anderen Seite erlebe Gott als jemanden, der möchte, dass Menschen frei sind, dass Leben geschieht und jeder bekommt, was ihm zusteht.

Dass trotzdem so viel Ungerechtigkeit vor den Augen der versammelten Christenheit geschieht und es soooo viele Christen und Gemeinden einfach nicht zu jucken scheint, dass da so ein eisiger Graben zwischen Gottes Vision für seine Welt und er aktuellen Realität ist, dass darin in riesiger, wenn nicht der Auftrag für Christen und Gemeinden steckt … ist für mich sozusagen ein ewiger Quell an ungläubigem Erstaunen, maßlosem Ärger, höchster Motivation und Begleiter meiner Lebensgeschichte in den vielfältigsten Bezügen.

Wie verstehst du die Verbindung von Gerechtigkeit und Evangelium, geht es beim Christsein nicht darum, gerecht vor Gott zu werden?

Ich bezweifle, dass es beim Christsein darum geht, gerecht vor Gott zu werden – im Sinne einer Leistung, die wir erbringen müssten (bzw. könnten). Ich denke, viel eher, dass Gott uns das „gerecht-Sein-vor-ihm“ schenkt. Das ist aber sicher eine Frage des Begriffs „gerecht sein“, bzw. von Gerechtigkeit an sich.Wenn ich davon ausgehe, dass Gerechtigkeit bedeutet, dass jeder das bekommt, was ihm zusteht, dann ergibt sich für mich folgendes Bild: Jesus behauptet: Ich habe den besseren Weg, Gerechtigkeit Wirklichkeit werden zu lassen, als alle vor mir. Wer mir auf diesem Weg folgt. Wer mit mir Gerechtigkeit aufrichtet. Wer dafür sorgt, dass alle das bekommen, was sie verdienen. Der ist auf dem Weg zum Vater. Der ist auf dem Weg zum Himmel. Diese bessere Gerechtigkeit führt er in der Bergpredigt aus. Z.B.: Kein Mörder zu sein, reicht nicht, um gerecht zu sein. Liebevoll über die anderen denken und reden ist gerecht – weil alle verdienen, dass über sie liebevoll gedacht und geredet wird. Warum ist das so? Weil Jesus das Leben nicht ausschließlich aus dem Blickwinkel irdischer Vergänglichkeit betrachtet, sondern das Leben jedes Einzelnen in einer kontinuierlichen Linie bis in die Ewigkeit sieht. Dabei geht es um einen Lohn, um eine Vergeltung Gottes für jede gute Tat. Am Ende der Bergpredigt heißt es, dass die Hungrigen satt, die Leidtragenden getröstet werden und den Sanftmütigen das Erdreich geschenkt wird. Jeder bekommt, was ihm zusteht. Oder in der Zusammenfassung formuliert (Matthäus 23,12): Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht. Weil das so ist – weil Jesus unverbrüchlich daran glaubte, konnte er in völlig kompromissloser Weise für die Gerechtigkeit einstehen. Und er hat ja auch Recht. Wenn sowieso klar ist, dass am Ende Gerechtigkeit herrschen wird, macht es kaum Sinn, jetzt ungerecht zu handeln. Schon Kinder wissen, dass es nur peinlich ist, mit der Hand in der Keksdose erwischt zu werden, wenn sowieso klar ist, dass die Kekse gerecht verteilt werden. Und Kinder wissen auch, dass sich in einem gerechten System der Verzicht auszahlt. Wer sich an einer Stelle zurückhält, wird an anderer Stelle umso mehr bedacht werden. Das ist einfach so, sonst wäre es nicht gerecht. Dieser Zusammenhang ist nirgendwo so deutlich wie in Kreuz und Auferstehung Jesu. In einer gerechten Welt, in der Selbsterniedrigung tatsächlich mit Erhöhung belohnt wird, muss auf das Kreuz die Auferstehung folgen – und auf die bedingungslose Hingabe für alle, die Herrschaft über den Kosmos. So sieht das Jesus. So stehts auch in der Bibel. Aber glauben wir das eigentlich selber wirklich? Glauben wir wirklich – in aller Konsequenz – dass Gott in diesem Sinne gerecht ist? Dass alle das bekommen, was sie verdienen? Lassen wir uns dieses Evangelium (also diese Gute Nachricht) zu Herzen gehen und können deswegen frei und gerecht leben? Oder sind wir nicht doch eher darauf bedacht, dass wir jetzt, hier alles haben, was wir brauchen und wollen und kümmern uns frühestens danach um die anderen- und sind damit unfrei und voll Angst davor, zu kurz zu kommen und weit weg davon, Gottes Gute Nachricht für das Leben zu hören und zu (er)leben? Aber was wäre, wenn die Welt wirklich gerecht wäre? Was wenn Jesu Weg wirklich der der besseren Gerechtigkeit wäre? Das ist die Frage und das Angebot des Evangeliums.

 

Angesichts von so viel Ungerechtigkeit könnte man doch schnell in die Resignationsfalle tappen. Es liegt nahe, auf Stimmen zu hören, die sagen, dass der Einsatz für Gerechtigkeit doch sowieso nichts bringt und wir letztlich nichts tun können, um einen echten Unterschied zu machen. Was ist deine Erfahrung mit diesen Stimmen?

Diese Stimmen gibt es, ganz klar. Das ist jetzt vielleicht fies, aber ich hab oft den Eindruck, dass Leute, die so etwas sagen, nur zu bequem sind, sich wirklich mit einem Thema auseinanderzusetzen und anzupacken. Oft geht es auch um den Erhalt der eigenen Vorteile, des eigenen Lebensstandards – man möchte nicht aufgeben, was man hat, man möchte nicht kürzer treten, verzichten, Komfort abgeben, um evtl. etwas zu verbessern – man ist, kurz gesagt, zu egoistisch. Wenn das Nichtchristen sagen, ist das ärgerlich, macht Arbeit für Gerechtigkeit anstrengend – aber wenn ich Leute gewinnen kann, sich ein ganz kleines bisschen zu beteiligen, erleben die meisten, wie sinnvoll und sinnstiftend es ist, Gerechtigkeit aufzurichten … und ändern langsam ihre Meinung. Wenn Christen so etwas sagen, dann zeugt das für mich immer vom Bild eines ziemlich kleinen Gottes. Ich bin überzeugt, dass wir als einzelne kleine Menschen wirklich nicht einfach so die Welt retten können. Aber wenn unser Gott das nicht kann, dann kann es keiner. Wenn wir also mit einem Gott unterwegs sind, der Gerechtigkeit will und der sie über kurz oder lang sowieso herstellen wird – wer bin ich, dass ich mich dem in den Weg stelle, ja gar behaupten kann, da lässt sich nichts machen? zeigt, dass nicht, dass ich Gott am Ende gar nicht zutraue, wirklich etwas zu verändern, wundersam einzugreifen, Gerechtigkeit Wirklichkeit werden zu lassen – und mich dazu zu gebrauchen, dass dies hier und da im Kleinen wie strukturell geschieht? Das finde ich im Schwerpunkt traurig…

 

Vielfach ist Ungerechtigkeit von Menschen gemacht. Auch wir können dazu beitragen. Wie denkst du, können wir verhindern, selber Teil des Problems zu werden?

Gar nicht. Wir sind Teil des Problems. Unser Wohlstand ist beispielsweise mit Ausbeutung von Natur und anderer Menschen erkauft. Das ist Fakt. Da können wir auch nicht einfach so aussteigen. Unsere Verantwortung ist es meinem Verständnis nach, zu schauen, was ich konkret anders machen kann, um Ausbeutung immer weniger zu unterstützen (durch anderes Denken zum Thema „Was brauche ich wirklich?“ und Konsum, durch verändertes Einkaufsverhalten und und und) – und zum anderen, wo ich dazu beitragen kann, dass sich Strukturen verändern, die Ausbeutung unterstützen und zementieren (durch Wahlen, Petitionen, Boykotte, Demonstrationen, Unterstützung alternativer Systeme und und und). Dadurch sind wir am Ende immer noch Teil des Problems – fangen aber vielleicht endlich an, auch Teil einer möglichen Lösung zu sein.

Vielen Dank, Heiko, für das Interview!

 

 

– die Fragen stammen vom Jason


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