#zeitgeist #welt

#zeitgeist

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Gestern Abend in der Kassette, meiner Lieblingskneipe. Ich hatte mich spontan entschlossen, zu einem Konzert zu gehen, meine Lieblingskneipe hat immer wieder richtig gute Livegigs mit tollen alternativen Bands. So auch an diesem Abend. Allerdings spielte vorher eine völlig unbekannte Vorband. Nicht meine Musik, außerdem war ich ja nicht dafür gekommen. Aber so mit halbem Ohr hinhörend, bekam ich doch einen der Texte mit. Interessanter Weise war dieses Lied ein gesungenes Gebet, was direkt an Gott gerichtet war. Es ging um einen Besuch in der Kirche und darum, dass der Sänger es satt hat zu hören, dass man beten soll, wenn es einem schlecht geht. Im Chorus hieß es dann sinngemäß, zeig doch nur ein einziges Mal deine Macht, dann werde ich für immer meine Klappe halten.

Im ersten Moment fragte ich mich, ob dieser Text nicht gotteslästerlich ist. Dann wunderte ich mich, dass in einer normalen Kneipe über Gott gesungen wurde. Welche Geschichte mag wohl hinter diesem Text stecken?

Es ist einfach, solch einen Text schnell abzustempeln. Tja, so ist eben die Welt. Die Ungläubigen kennen Gott eben nicht und können daher nicht von der Beziehung zu Gott reden. So ein Text, das ist weltliche Musik, das ist nichts für die Kirche.

Wirklich?

Jetzt einmal vom musikalischen Aspekt abgesehen (da bin ich mir bei den Jungs auch nicht so sicher), aber sollte es in der Kirche nicht vielleicht doch auch darum gehen können, dass unser Leben Zeiten des Schweigens Gottes kennt? Darf der Zweifel in der Kirchenmusik eine Rolle spielen? Meiner Meinung nach gehört das auch dazu und kann viel Platz und Raum schaffen für Heilung. Nebenbei gibt es immer mehr Gemeinden und Kirchen, die auch im Gottesdienst Raum für Künstler schaffen, die sich nicht mit dem Etikett christlich identifizieren. Da ist Mosaik jetzt nicht alleine.

Aber vielleicht einen Schritt zurück. Mich beschäftigt die Unterscheidung zwischen „christlich“ und „weltlich“. Die Musik in meiner Lieblingskneipe ist teilweise wunderbar. Da erlebe ich ganz tolle Momente, kann tief durchatmen und auftanken. Inspiration pur. Für mich sind das Zeiten, in denen ich Gott spüre. Für mich ist Gott in Musik, das hat etwas Heiliges an sich. Oft erlebe ich solche Momente in der Kirche, aber eben auch in der Kassette.

Nur, ist es nicht weltliche Musik?

In der christlichen Tradition ist das Verhältnis von Welt und Kirche intensiv diskutiert worden. Tatsache ist, dass verschiedene Bibelstellen eine klare Distanz zur Welt fordern:

Liebet nicht die Welt, noch was in der Welt ist. Wer ein Freund der Welt sein will, der ist ein Feind Gottes. Wundert euch nicht, wenn die Welt euch hasst. In der Welt habt ihr Angst, aber ich habe die Welt überwunden. In der Welt werdet ihr verfolgt.

Scheinbar ist die Kirche der Gegenpart, der Schutzraum, wohin sich der Christ vor der Welt in Sicherheit bringen kann. Dort gibt es dann auch Musik und überhaupt fast alles sonst – nur eben mit dem Etikett christlich.

Nun ist sicher nicht alles christlich, was so genannt wird. klar.
Manchmal können Dinge auch das Lager wechseln. Was gestern weltlich war, kann heute vielleicht schon christlich sein. Auch klar.
Was weltlich oder christlich ist, wird auch von Region zu Region oder von Kultur zu Kultur unterschiedlich verstanden. Auch klar.
Christen sind außerdem keineswegs besser als die Welt. Auch klar.
Dann sagt der vielleicht bekannteste Bibelvers aus, dass Gott die Welt liebt. Den Nächsten sollen wir auch lieben. Ist auch klar.
Und wenn man Gefahr läuft, ein Feind Gottes zu sein, weil man die Welt liebt, dann wissen wir ja, dass Gott seine Feinde liebt. Alles klar.

Naja. Ein bisschen sollte man da schon genauer hingucken. Vielleicht ist das eben doch nicht immer so klar.

Aber was ist nun die Welt, die als Gegenpart zur Kirche steht? Man hat vielfach nun auf den Begriff des Zeitgeists zurückgegriffen. Der Begriff könnte möglicherweise genauer bestimmen, wogegen sich der Christ wenden und woher er die Gefahr erwarten soll.

Im Laufe der Serie möchte ich dafür argumentieren, dass es eine bessere Lösung gibt. Oder dass wir zumindest eine bessere suchen sollten. Denn auch im Zeitgeist hat der Geist Gottes ein Wort mitzureden. Das Evangelium des Johannes überliefert ein Gebet von Jesus, in dem er Gott den Vater bittet, seine Nachfolger vor dem Bösen zu bewahren. Denn sie sind in der Welt, aber nicht von der Welt. Wir leben auf dieser Erde und sind Teil der Gesellschaft. Wir atmen dieselbe Luft, ernähren uns von dieser Erde und haben hier unser Zuhause. Wir teilen Gottes Anliegen, dass diese Welt gerettet werden möge. Daher engagieren wir uns für alles, was Leben, Freiheit, Gerechtigkeit und Schönheit fördert.

Vielleicht führt der Weg zu einem sinnvollen Verständnis vom Verhältnis der Kirche mit der Welt über eine genauere Bestimmung des Dafür. Denn wer sich für die Neugestaltung dieser Welt einsetzt, der wird mit Gegenwind rechnen müssen. Vielleicht zeigt sich dann einfacher, was Welt heute ist. Möglicherweise entdecke ich dann Welt aber an Orten und Stellen, wo ich sie nicht erwartet hätte. Aber auch Gottes Schönheit und gestalterische Präsenz werden mir auf sonderbare Weise begegnen. Und zwar genauso da, wo ich sie nicht erwarten würde.

Im übrigen war der Hauptact des Abends ein Volltreffer. Dort wurde viel von Hoffnung, von wieder Aufstehen und vom Weitergehen geredet. Vielleicht gar nicht so weltlich.


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