Unerkannt – ich bin die Auferstehung und das Leben

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Gestern haben wir Ostern gefeiert. Daher habe ich mich der Kreuzigung und Auferstehung Jesu in vier Fragen genähert:

 

  1. Ist das Kreuz ein christliches Symbol? 

Nein, es ist ein Hinrichtungsgerät. Auch wenn viele Christen es als Schmuckstück benutzen, das Kreuz war dazu gedacht, Menschen hinzurichten. (Warum tun Christen eigentlich soetwas? Wir sind schon recht seltsam. Ich meine, wer würde heute auf die Idee kommen, sich einen Miniatur-Elektrischen Stuhl um den Hals zu binden?)

 

Zur Zeit von Jesus war das Kreuz eine bekannte Sache. Man denke nur an Spartacus, der 73 v.Chr. aus der Gladiatorenschule in Capua geflohen war. Schnell sammelten sich um ihn geflohene Sklaven. In mehreren Schlachten konnten sie sich gegen die römische Armee behaupten. Aber in einer finalen Schlacht gegen den Heerführer Licinius Crassus verlor Spartacus. 60.000 Sklaven verloren in der Schlacht ihr Leben. Rom wollte aber ein Exempel statuieren. Kein römischer Sklave sollte je wieder auf den Gedanken kommen, die Verhältnisse ändern zu können. Also lies man die 6000 übrig gebliebenen Sklaven aus Spartacus Truppe entlang der via Appia kreuzigen. Was würde ein Sklave denken, wenn er diese Straße entlang gehen musste? Alle 300 Meter hing dort ein deutliches Erinnerungszeichen: Rom gewinnt immer. Widerstand ist zwecklos. Alles bleibt wie es ist. Denk erst gar nicht daran, hier etwas ändern zu wollen. Die Römer haben viel Wert darauf gelegt, dass in ihrem Reich jeder diese Botschaft gut verstehen würde. Das Kreuz spricht eine einfache aber deutliche Sprache.

 

 

2. Was hat Jesus ans Kreuz gebracht?

Jesus hat die Mächte herausgefordert. Sein erster öffentlicher Satz war „Das Reich Gottes ist nahe, glaubt an das Evangelium“ Damit sagt er, dass nicht der römische Kaiser, sondern jemand anderes das Sagen hat. Nicht das römische Reich ist das Maß der Dinge, sondern ein ganz anderes Reich. Damit macht man sich bei den Römern keine Freunde.

 

Dann hat er das religiöse System der Juden provoziert. Einmal ist er in den Jerusalemer Tempel gegangen und hat dort eine Art prophetischen Vandalismus durchgeführt. Alle Geldwechsler und Verkäufer, die im Tempel nichts verloren hatten, trieb er aus dem Gotteshaus. Auch damit macht man sich keine Freunde. Schlimmer war aber, dass er selber die Funktion des Tempels einnehmen wollte. Er lehrte, dass die Menschen nun durch ihn zu Gott gelangen würden – nicht mehr durch den Tempel. Wundert es, dass diese religiösen Führer Jesus aus dem Weg schaffen wollten?

 

Dann war Jesus bekannt dafür, dass er Brücken zu Aussenseitern, Sündern und Geächteten Menschen gebaut hat. Er ist für Gerechtigkeit eingestanden und trat für die ein, auf die andere mit dem Finger gezeigt haben. Damit legt er den Finger in die Wunde – und zieht den Zorn der religiösen Eliten auf sich.

 

3. War Jesus einfach „nur“ ein Märtyrer?

Gut, Jesus war ein guter Mensch, der seine Mission ernst genommen hat, sich mit den Mächtigen angelegt hat und am Ende den Preis dafür bezahlt hat. Ein Märtyrer. Sicher gab es auch deutliche Unterschiede zu anderen, beispielsweise zu Spartacus. Jesus hat nicht zum Schwert gegriffen, hat Feindesliebe gepredigt und ist eher gewaltlos unterwegs gewesen. Aber ist das alles?

 

Die ersten Christen hatten zunächst hart daran zu knabbern, dass Jesus gestorben war. und auch nach der Auferstehung hat es große Fragezeichen gegeben. Ein gekreuzigter Messias, das hatte niemand auf dem Schirm. Wie sollte man das erklären?

 

Eine Erklärung hat der Apostel Paulus geliefert. Er sagte in 2.Kor 5,19: „Gott war in Christus und hat die Welt mit sich versöhnt.“ Die Idee hier ist, dass wir an Jesus sehen können, wie Gott ist. Viele Menschen haben von sich behauptet, irgendwie göttlich zu sein. Aber das hier geht noch weiter: Gott ist wie Jesus. Das Kreuzesgeschehn zeigt mit am deutlichsten, wer dieser Gott ist. Das gesamte Leben Jesu ist Gottesoffenbarung, aber am Kreuz nimmt diese ihren Höhepunkt ein.

 

Wenn Gott in Christus war, was zeigt uns Jesus am Kreuz dann über Gott? Was für ein Wesen ist er? Menschen verraten ihn, schlagen ihn, verspotten ihn, demütigen ihn und töten ihn – und was macht er? Dieser Gott, den Jesus offenbart, antwortet mit Worten der Liebe und Vergebung. Für diesen Gott finden sich keine treffen Worte, das Wort Liebe kommt dem aber am nächsten. War Jesus nur ein Märtyrer? Nein, er war Gott!

 

 

4. Was können Kreuz und Auferstehung dann bedeuteten?

Im Laufe der ersten Jahrzehnte der christlichen Bewegung sind nun weitere verschiedene Erklärungsversuche erfolgt, verschiedene Metaphern wurden gefunden, um das Kreuzesgeschehen zu deuten. Das was am Kreuz passierte war wie ein Sieg, wie eine Erlösung, wie ein Opfer, wie der Exodus usw. Für uns bedeutet das allerdings etwas Arbeit, denn diese Metaphern beziehen sich auf eine uns fremde Kultur. Erlösung hat beispielsweisese etwas mit der Erlösung (also dem Loskauf) von Sklaven zu tun. Das ist uns letztlich fremd. Oder wie das mit den Opfern war, müssen wir uns auch erst erarbeiten, um es wirklich zu verstehen. (Mich juckt es ja schon, da genauer hinzusehen, aber das würde den Rahmen hier sprengen).

 

In der Bibel nehmen diese Metaphern allerdings einen sehr geringen Raum ein. Immer mal wieder werden in einzelnen Sätzen solche Metaphern verwendet. Wahrscheinlich war es aber so, dass die ersten Christen gar nicht so viel mit diesen Metaphern gearbeitet haben, sich also nicht sehr systematisch mit dem Kreuz befasst haben. Sie haben viel mehr die Geschichten über Jesus weitererzählt. Kann es sein, dass wenn wir diese Geschichte hören, daran alles verstehen können, was wir darüber wissen müssen?

 

Fangen wir am Vorabend an. Dort trifft sich Jesus mit seinen Nachfolgern in einem Garten. Er hat schreckliche Angst, weil er weiß, was ihn erwartet. Er betet. Aber er versteht, dass es keinen anderen Ausweg geben wird und Gott ihm dieses Los nicht abnehmen wird.

 

Das Kreuz ist eine Geschichte von Angst und der Gewissheit, dass Gott nicht helfen wird.

 

Dann hat sich einer seiner engsten Verbündeten mit seinen Feinden auf einen Deal eingelassen. Judas wird zum Verräter und liefert Jesus ans Messer. Mit einem Kuss.

 

Das Kreuz ist eine Geschichte von Verrat, von falschen Freunden und dem Schmerz des Vertrauensbruchs.

 

Dann wird Jesus verhört und falsche Zeugen sagen in einem Schauprozess gegen ihn aus. Einen Verteidiger hat er nicht.

 

Das Kreuz ist eine Geschichte von Ungerechtigkeit.

 

Am nächsten Morgen werden die jüdischen Führer mit den römischen Besatzern ihren dreckigen Machtkampf austragen. Jesus gerät zwischen die Räder einer Machtintrige. Der römische Stadthalter Pilatus wird Jesus hinrichten lassen, um sein Gesicht nicht zu verlieren.

 

Das Kreuz ist eine Geschichte der Ohnmacht angesichts schier übermächtigen Machthabern.

 

Anschließend wird Jesus gefoltert und nackt durch die Stadt gejagt. Unter der grölenden Masse trägt er sein Kreuz zur Hinrichtungsstädte.

 

Das Kreuz ist eine Geschichte von Gewalt, Demütigung und Qual.

 

Dann wird er an das Kreuz genagelt, es wird dunkel. Nach einigen Stunden stellen Soldaten seinen Tod fest.

 

Das Kreuz ist eine Geschichte der Hoffnungslosigkeit, das Böse in dieser Welt hat gesiegt.

 

Auf die eine oder andere Weise kennen wir alle diese Geschichte. Denn es ist ein Stück der Menschheitsgeschichte, ein Stück unserer Geschichte. Zu unterschiedlichen Momenten werden wir uns mit unterschiedlichen Figuren aus der Geschichte identifizieren können. Wir alle sind in unserer Geschichte sowohl Täter wie Opfer.

 

Ein Nebengedanke: Der Begriff Sünde ist in der christlichen Theologie einer der wesentlichsten Begriffe überhaupt. Oft meinen wir damit aber nur die „Täterseite“ – Sünde ist das, was Menschen falsch machen, was sie falsches tun. Die passive Seite wird in diesem Begriff nicht mitgedacht. Aber auch das ist Teil von Sünde, das wir mit den Folgen der Sünde anderer in Berührung kommen. Beides gehört aber dazu.

 

Die ersten Christen haben verstanden, dass diese Geschichte etwas mit uns zu tun haben kann, dass wir auf eine geheimnisvolle Weise in dieser Geschichte mitgedacht sind und mit hineingenommen werden. Diese Geschichte kann zu unserer Geschichte werden. Das meint, wir können Auferstehung erleben. Toll ausgedrückt hat das Paulus:

 

Oder wisst ihr nicht, was es heißt, auf Jesus Christus getauft zu sein? Wisst ihr nicht, dass wir alle durch diese Taufe mit einbezogen worden sind in seinen Tod? 4 Durch die Taufe sind wir mit Christus gestorben und sind daher auch mit ihm begraben worden. Weil nun aber Christus durch die unvergleichlich herrliche Macht des Vaters von den Toten auferstanden ist, ist auch unser Leben neu geworden, und das bedeutet: Wir sollen jetzt ein neues Leben führen. 5 Denn wenn sein Tod gewissermaßen unser Tod geworden ist und wir auf diese Weise mit ihm eins geworden sind, dann werden wir auch im Hinblick auf seine Auferstehung mit ihm eins sein.3 6 Was wir verstehen müssen, ist dies: Der Mensch, der wir waren, als wir noch ohne Christus lebten, ist mit ihm gekreuzigt worden, damit unser sündiges Wesen4 unwirksam gemacht wird und wir nicht länger der Sünde dienen. 7 Denn wer gestorben ist, ist vom Herrschaftsanspruch der Sünde befreit.5 8 Und da wir mit Christus gestorben sind, vertrauen wir darauf6, dass wir auch mit ihm leben werden. – Römer 6

 

Wir können in diese Geschichte von Jesus mit einbezogen sein. (Das Wort für Taufe baptizo ist eigentlich kein religiöser Begriff. Er wurde zum Beispiel für das Färben von Stoffen verwendet, die in einen großen Topf von Farbe getunkt werden. Farbe und Stoff werden eins, davon redet der Begriff) Auf erstaunliche Weise passiert dann genau das: Wir erleben, dass unser Leben neu gemacht wird.

 

Gewalt, Verrat, Schmerz – all das hat nicht das letzte Wort. Angesichts der Auferstehung haben diese Dinge ihre Macht verloren, sie wurden unwirksam gemacht. Gott ist dabei inmitten dieser Geschichte eine neue zu schreiben.

 

Sie fängt gerade erst an.

 

Tony Campolo hat das besser ausgedrückt, als ich es könnte:

 

Es ist Freitag…Jesus wurde ans Kreuz genagelt.

Aber er es ist nur Freitag; Sonntag kommt.

 

Es ist Freitag…Maria weint sich die Augen aus, weil ihr Sohn Jesus tot ist.

Aber er es ist nur Freitag; Sonntag kommt.

 

 

Es ist Freitag…Die Jünger irren umher wie Schafe ohne Hirten.

Aber er es ist nur Freitag; Sonntag kommt.

 

Es ist Freitag…Piltaus stolziert herum, wäscht sich die Hände und denkt, er habe alle Macht und den Sieg.

Aber er es ist nur Freitag; Sonntag kommt.

 

Es ist Freitag…Die Menschen sagen, es war schon immer so – du kannst in dieser Welt nichts verändern.

Aber er es ist nur Freitag; Sonntag kommt.

 

Es ist Freitag…Das Böse lacht sich ins Fäustchen und sagt, ich kontrolliere die ganze Welt.

Aber er es ist nur Freitag; Sonntag kommt.

 

Es ist Freitag…Der Vorhang im Tempel zerreißt von oben bis unten. Die Erde bebt. Felsen zerbersten und Gräber öffnen sich. Der Zenturio schreit vor lauter Angst – Wahrhaft, er ist der Sohn Gottes.

Aber er es ist nur Freitag; Sonntag kommt.

 

 

Es ist eine Geschichte, in der wir eingeladen sind, teilzuhaben. Unsere Geschichte kann zur Passions- und Auferstehungsgeschichte werden, wir können teilhaben an Gottes lebensschaffendem Werk.  

 

Das wiederum hat Pete Rollins genial ausgedrückt:

 

Ich verleugne die Auferstehung.

 

Ich verleugne die Auferstehung Jesu jeden Tag.

Jedesmal, wenn ich meinen Nachbarn nicht diene,

jedesmal, wenn ich an einem Armen vorbeigehe,

jedesmal, wenn ein ungerechtes ausbeuterisches System unterstütze – verleugne ich die Auferstehung Christi.

 

Und ich bestätige die Auferstehung.

Ich bestätige die Auferstehung Jesu jedesmal,

wenn ich für die aufstehe, die in die knie gezwungen werden,

ich bestätige die Auferstehung, wenn ich für die eine Stimme erhebe, denen die Zunge herausgerissen wurde.

ich bestätige die Auferstehung, wenn ich für die Tränen vergieße, die keine Tränen mehr übrig haben, die sie vergießen könnten.

 

– Jason


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Kommentare

Eine Antwort zu „Unerkannt – ich bin die Auferstehung und das Leben“

  1. Avatar von wirsindmosaikde

    Gerade bei Brian Zahnd gefunden: The purpose of reformation is re-formation—to recover a true form. What is the true form of Christianity? It is the cruciform—the shape of the cross. The hope I see for Christianity in the twenty-first century is in a cruciform reformation. Instead of using protest as a pattern, what if the church re-formed itself according to the cruciform? What if we responded to hostility and criticism, not with angry retaliation, but in the Christlike form of forgiving love? What if instead of “fighting for our rights” we laid down our rights and in love simply prayed, “Father, forgive them”?
    http://brianzahnd.com/2014/04/end-line/

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