#Fachchinesisch #Heiligkeit

IMG_0271 In diesen Ferien möchte ich auf dem Blog ein neues Projekt starten. Es soll um christliche Vokabeln gehen. Eigentlich versuchen wir bei Mosaik so wenig wie möglich fromme Fachbegriffe zu verwenden und stattdessen in normalem Deutsch über das zu reden, was uns in unserem Leben mit Jesus wichtig ist. Aber vielleicht helfen diese Gedanken doch der Verständigung und machen hoffentlich auch Lust auf mehr. Also dann, der erste Begriff: Heiligkeit. Geht man von dem hebräischen Begriff קדשׁ (qādôš) aus, dann könnte man heilig auch mit besonders, oder zur göttlichen Sphäre gehörig übersetzen. Der Begriff hat also etwas mit dem jüdischen Kultus zu tun. So können bestimmte Orte oder Gegenstände heilig oder geweiht sein, also für Gott ausgesondert. Sie sind mit Gott in Berührung gekommen und gehören zu ihm. Bezogen auf Gott unterstreicht der Begriff Gottes Andersartigkeit und dass Gott von der Schöpfung zu unterscheiden ist. Wenn ich so darüber nachdenke, dann verbinde ich mit dem Begriff allerdings immer das Gefühl, bei Gott schlecht abzuschneiden. Als würde ich in Gottes Gegenwart nicht passend sein, als wäre man völlig underdressed. Hier Gott als der völlig reine, vollkommene und sündlose, da ich als Mensch mit meinen Fehlern, Schwächen und dunklen Seiten – und dazwischen ein unüberbrückbarer Graben. Heiligkeit hat für mich etwas Bedrohliches. Da gibt es die nicht unproblematische Geschichte, in der die Bundeslade von einem Karren zu rutschen drohte und ein gewisser Usa von Gott getötet wurde, weil er die Lade festhalten wollte. Die Begründung: Usa hatte Gottes Ehre angetastet. Daraufhin erschraken die Beistehenden:  „Wer kann bestehen vor Jahwe, dem heiligen Gott?“ (2.Samuel 6). Über diese Seite Gottes wird meiner Meinung nach wenig nachgedacht und sie wird oft unterschlagen. Die Liebe Gottes und die dem Menschen zugewandte Seite Gottes, die inspiriert uns und hier knüpfen wir an. Aber unter der Oberfläche scheint doch ein gewisses Unbehagen mitzuschwingen, da Gott auch eine vernichtende und sterile Vollkommenheit inne hat, die den Menschen schonungslos entblößend aburteilt, an ihm kein gutes Haar mehr lässt und auf ganzer Linie abqualifiziert. Baut sich da ein seltsamer Gegensatz innerhalb von Gottes Wesen auf? Einerseits Liebe und dann eben auch heilig? Meiner Meinung nach ist dieses Bild von Heiligkeit aber nicht biblisch haltbar. Denn es geht davon aus, dass Gottes Heiligkeit etwas ist, dass Gott losgelöst von der Schöpfung inne hat. Die theologische Forschung hat aber herausgefunden, dass dieser Begriff nicht beschreibt, wie Gott ist oder was er an sich hat, sondern wie er in der Welt wirksam ist. Gottes Heiligkeit ist ein Geschehen. Gottes Heiligkeit muss aus seinem Verhältnis zum Menschen verstanden werden. Ein Theologe hat es so ausgedrückt: Gottes Heiligkeit ist heiligend. Die Bibel betont den großen Unterschied zwischen Gott und seiner Schöpfung. Er, der „ganz andere“, will eben keinen unüberbrückbaren Graben, sondern will mit uns Menschen in Kontakt treten. Helmut Burkardt führt weiter aus: „Die Heiligkeit ist Gottes sich selbst erniedrigende Liebe. (…) Der Mensch als Sünder kann Gottes Heiligkeit nicht ertragen, sie wirkt auf ihn wie ein verzehrendes Feuer. (…) Tatsächlich erweist sich Gottes Heiligkeit gegenüber dem sündigen Menschen vollends als Liebe: In Jesus Christus ruft er ihn in seine Gemeinschaft.“ Die Heiligkeit ist eben kein Gegensatz zu Gottes Liebe! Auch Wilfried Härle hat hierzu treffende Worte gefunden: „Wenn nicht verantwortlich gesagt werden kann, Heiligkeit und Zorn seien Eigenschaften der Liebe Gottes, dann liegt über dem Gottesbild ein Schatten, der geeignet ist, alles zu verdunkeln.“ Härle versteht Gottes Heiligkeit als seine Unvereinbarkeit mit der Sünde, Gottes Zorn als sein Nein gegen die Sünde. Ich finde es sehr treffend, dass im deutschen Wort Heiligkeit das Wort heil drinnen steckt. Das macht für mich deutlich, worum es eigentlich geht. Die vielleicht bekannteste Stelle, in der von Gottes Heiligkeit geredet wird, ist eine Thronszene in einer Vision Jesajas. In Jesaja 6 rufen Engel vor Gottes Thron: „Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen! Die ganze Erde ist erfüllt mit seiner Herrlichkeit.“ Anschließend fühlt Jesaja dieses schon angesprochene Gefühl des Unbehagens: „Da sprach ich: Wehe mir, denn ich bin verloren. Denn ein Mann mit unreinen Lippen bin ich, und mitten in einem Volk mit unreinen Lippen wohne ich. Denn meine Augen haben den König, den HERRN der Heerscharen, gesehen.“ Offenbar ist es ein ganz normaler Teil der spirituellen Reise, dass man das Gefühl der Unzulänglichkeit angesichts von Gottes Liebe besonders deutlich wahrnimmt. Wir erkennen Gott dann als den, der ganz anders ist. Gott wirkt dann auf uns fremd und wir uns als von ihm entfremdet. Aber der Text geht weiter: „Da flog einer der Serafim zu mir; und in seiner Hand war eine glühende Kohle, die er mit einer Zange vom Altar genommen hatte. Und er berührte damit meinen Mund und sprach: Siehe, dies hat deine Lippen berührt; so ist deine Schuld gewichen und deine Sünde gesühnt.“ Auf die Erfahrung der Unzulänglichkeit folgt eine Erfahrung der Reinigung, des aufgerichtet werdens und der Vergebung. Man kann es auch Heiligung nennen. Wenn Menschen von Gottes Liebe berührt werden, dann kann dies ein schwieriger und schmerzhafter Prozess werden. An Gottes Liebe kann man sich sozusagen verbrennen. Aber es ist der Prozess, in dem Gott zu uns durchdringen will und in dem er sich uns zuwendet. Und das tut er, indem er uns verändert. Morgen: Gerechtigkeit


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