Die folgenden Gedanken sind für alle. Vor allem sind sie aber für diejenigen, die mit Gebet Schwierigkeiten haben.
Ihr sollt zunächst einmal hören
es ist Ok.
Und
ihr seid nicht die einzigen.
Das Thema ist sensibel. Fangen wir trotzdem unvermittelt mit einer brennenden Frage an.
Bringt Gebet etwas?
Manche finden auf diese Frage eine sehr elegante Antwort. Gebet bewirkt etwas in dir. Fürbitte führt dazu, dass du dich mehr mit anderen beschäftigst, die Bitte um Sündenvergebung erleichtert das Gewissen und Dankgebete machen mich selbst fröhlicher und genügsamer.
Mehr nicht.
Das ist sehr raffiniert. Denn so muss ich nicht erwarten, dass mein Gebet Gott dazu bringt, in diese Welt einzugreifen. Und somit muss ich mich auch nicht damit rumplagen, dass Gott ausgerechnet meine Gebete nie erhört.
Ist es nicht so, dass das (nichterhörte) Gebet empfindliche Wunden zufügen kann? Mein Gefühl ist, dass viele Menschen gerade deshalb den Glauben an das Gebet aufgegeben haben, um nicht den Glauben an Gott aufgeben zu müssen. Es tut eben verdammt weh, wenn Gebet gerade in den Dingen nicht „funktioniert“, die uns besonders am Herzen liegen. Dann lieber gar nicht beten.
Wozu beten, wenn es nichts bringt?
Das ganze Thema berührt unsere wunden Punkte. Daher erfinden wir verschiedene Strategien, wie wir das Thema umgehen können, ohne dabei offensichtlich im Widerspruch mit der Schrift, der christlichen Tradition und den vielen Zeugnissen von besonderen und normalen Christen (ja, das ist Ironie!) zu stehen, bei denen das Gebet wunderbar funktioniert.
Ein paar mir bekannte Strategien:
Man betont die eigene Verantwortung so stark, dass wer betet oder gar darüber redet immer unter Verdacht gerät, er würde seinen eigenen Part auf Gott abwälzen. Gebet wird so überflüssig, man kommt quasi gar nicht dazu, weil es immer wichtiger ist, selber aktiv zu werden.
Oder man bagatellisiert das Gebet. Die unwesentlichsten Dinge werden zu großartigen Gebetserfahrungen hochstilisiert, so dass man sich plötzlich vor Gebetserhörungen gar nicht mehr retten kann. Bringt Gebet etwas? Natürlich! Gott hat mein Gebet für Heilung vom Schnupfen erhört und auch das für den Parkplatz direkt vor der Haustür…
Eine andere Strategie ist der Glaube an den versteckten Sinn. Ein Gebet wurde nicht erhört? Dann wusste Gott schon, was besser war. Er hat andere, größere und bessere Pläne.
Diese Theologie ist extrem schwerwiegend, da sie ein recht merkwürdiges Licht auf Gott werfen kann. Denn es redet Dinge schön, die einfach nur furchtbar sind. Einmal hörte ich die Geschichte von einem Mann, der morgens um Schutz für seine Familie betete und nachmittags Witwer wurde. Nach Jahren der Trauer und des Haderns glaubte er, Gott habe den Tod der Mutter und der anderen Tochter herbeigeführt, damit er lerne, sich mehr um sein Kind zu kümmern.
Und das hätte Gott nicht anders regeln können?!
Der versteckte Sinn ist meiner Ansicht nach ein fauler Trick, um mit der Enttäuschung klarzukommen, die unerhörtes Gebet mit sich bringen kann. Und er führt zu Apathie. Wenn Gott sowieso immer das tut, was er als das beste ansieht, warum dann beten? Es gibt nur ein Gebet, was dann Sinn macht: Dein Wille geschehe, nicht meiner. Ende des Gesprächs.
Bestimmt gibt es noch viele andere Strategien. Einige Theologen versuchen beispielsweise, Gott aus der Schusslinie zu ziehen, indem sie vom „schwachen Gott“ redet. Gott kann Gebet nicht immer erhören, weil dem Mensch einen freien Willen eingeräumt hat, den Gott nicht übergehen möchte.
Interessanter Ansatz.
Meine Vermutung ist aber, dass wir die Frage nach dem Gebet nicht auf dem Schlachtfeld der Theologie austragen sollten oder können. Keine noch so gewiefte Theologie des Gebets kann uns letztlich vor dem Schmerz bewahren, den Gebet mit sich bringen kann. Und genauso wenig kann sie diese heiligen Momente liefern, in denen wir wirklich lebendig und tief verbunden mit Gott sind.
Das Dilemma mit dem Gebet ist nicht in der Theorie zu lösen. Gebet muss praktiziert werden. Gebet muss gelebt werden. Es kann gelernt werden und es kann vorgelebt werden. Wir können einander dazu ermutigen und inspirieren. Und doch ist es eine tiefe persönliche Sache.
Es ist wie mit der Begegnung zwischen Jakob und dem Engel. Beide haben die ganze Nacht gekämpft. Aber Jakob hat nicht locker gelassen, bis er schließlich gesegnet wurde. Aber aus diesem Kampf ist er verwundet herausgegangen.
– Jason
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