Die Stimmung in Deutschland verändert sich. Als ich vor ungefähr acht Monaten über die Pegida-Bewegung geschrieben hatte, ging es um Demonstrationen mit neorassistischem Inhalt. Es ging um Politiker, die sich diesen „Angstbürgern“ anbiederten und Wählerpotential abschöpfen wollten.
Heute sind wir an einem anderem Punkt. In Freital demonstrierten vor einigen Wochen ca. 2000 besorgte Bürger gegen ein geplantes Asylantenheim. In den Wochen darauf wurde die Gruppe kleiner, aber ein harter Kern ist geblieben.
Man traf sich vor dem Heim, um ankommende Flüchtlinge mit Parolen zu empfangen. Man Fotografierte und filmte die Flüchtlinge. Und auch online fangen Menschen an, immer offener ihren Hass auszudrücken – darunter viele Anspielungen auf Nazi-Deportationen.
Aus Worten werden Taten
Wer solche Einstellungen teilt, wird Menschen unter sich haben, denen Worte nicht ausreichen. Und so brennen in Deutschland wieder Flüchtlingsheime. Die Kritik lautet, dass sich Demonstranten aus der bürgerlichen Mitte zu Rechtsextremen gesellen. Offensichtlich sinken hier Hemmschwellen.
Aber vielleicht wird langsam auch deutlich, dass der neue Rassismus kein Problem einiger Randgruppen ist, sondern dass er längst in der bürgerlichen Mitte – im Mainstream – angekommen ist.
Es ist mittlerweile völlig in Ordnung, Flüchtlinge in „gute“ und „böse“ Flüchtlinge einzuteilen. Und damit meine ich noch nicht einmal den Bereich der Kriminalität. Selbst Spitzenpolitiker wie Horst Seehofer schimpfen über „Wirtschaftsflüchtlinge“ oder „Armutsflüchtlinge“.
Stefan Lauer bringt es wunderbar auf den Punkt, dass dieser Begriff an sich schon problematisch ist:
Was sind überhaupt „Wirtschaftsflüchtlinge“? Ist ein Wirtschaftsflüchtling jemand, der verhungert und deshalb seine Heimat verlassen muss? Vielleicht jemand, dessen ganze Familie schon verhungert ist? Jemand, der kein Geld für Medikamente hat und der aus einem Land kommt, in dem es keine Krankenversicherung gibt? Sind Bauern, deren Höfe zerstört wurden und die nicht mal mehr ansatzweise ihre Familie ernähren können Wirtschaftsflüchtlinge? Oder sind Wirtschaftsflüchtlinge Spanier, die nach Berlin kommen, um in einem Café zu arbeiten, weil sie zu Hause keinen Job finden, oder Millionäre, die in sie Schweiz ziehen, um Steuern zu sparen? Gehören die Leute, über die VOX Auswanderer-Dokus macht auch dazu? Das Wort „Wirtschaftsflüchtling“ ist ein ein konservativer Kampfbegriff, der besonders in den 80er und 90er Jahren Konjunktur hatte, als das Asylrecht drastisch verschärft wurde. Auch damals versuchte man zwischen guten (Kriegsflüchtlinge) und bösen (Wirtschaftsflüchtlinge) zu unterscheiden. Flüchtlinge sind Flüchtlinge. Und damit Menschen, die aus ihrer Heimat aus verschiedenen Gründen fliehen mussten.
Erfreulich ist, dass Kommentatoren wie kürzlich die Panorama Chefredakteurin Anja Reschke deutliche Worte finden. Sie forderte auf, dass gerade auch Blogger sich mehr diesem Thema annehmen. Dem folge ich gerne.
Ich schreibe hier ja auch als Christ. Einer der zentralsten Motive im Lukasevangelium ist das Anliegen der Armen. Beispielswiese sagt Jesus: „Verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach!“
Dieser Satz ist an sich schon sehr unbequem und viele Christen sind schnell damit aufzuzeigen, dass es hier ja nicht wirklich um Armut geht. Vielmehr will Jesus zeigen, dass wir alle ein verdorbenes Herz haben und Gottes Vergebung brauchen. Wir haben viele theologische Winkelzüge um den Worten von Jesus eine andere Bedeutung zu geben.
Liest man aber beispielsweise das Lukasevangelium, dann wird man ohne Umdeutungsversuche nicht drum herumkommen, Jesus fordert auf, Armut abzuschaffen und dem Armen mit Würde zu begegnen. Es geht letztlich darum, dass Armut an sich abgeschafft gehört.
Verbindet man das mit Jesu Aufforderung zur Gastfreundschaft, dann wird deutlich, dass wir Flüchtlingen gegenüber eine christliche Verantwortung haben, gerade auch denen, die als Wirtschaftsflüchtlinge gebrandmarkt werden. Jesus sagt: „Wenn du ein Mahl machst, so lade Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein“. Pete Rollins hat hierzu schöne Worte gefunden:
“Unsere Gastfreundschaft ist oft nicht mehr als eigennütziger Austausch, bei dem wir einige Leute zu unserem eigenen Vergnügen in unser Haus einladen. Unsere Gastfreundschaft ist an Bedin- gungen geknüpft, Bedingungen, die Höflichkeit, Respekt und eine gute Flasche Wein beinhalten.
Obwohl an einer solchen Tatsache nichts auszusetzen ist, geht die radikale, unmögliche Gastfreundschaft, von der Jesus sprach, unendlich viel weiter. Es handelt sich dabei um eine Gastfreundschaft, die jenen die Türen öffnet, die nicht Teil unseres Freundeskreises sind, denjenigen, die uns wahrscheinlich keine Geschenke mitbringen oder sich nicht um unsere Gefühle scheren. Diese Sicht von Gastfreundschaft steht im Einklang mit Jesu Sicht von Liebe – einer Liebe, die von uns mehr verlangt, als lediglich diejenigen anzunehmen, die uns liebe (was manchmal sogar die unbarmherzigste Kriminellen tun). Sie verlangt von uns, jene anzunehmen, die uns gleichgültig gegenüberstehen oder die uns sogar verachten.“
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