#Fachchinesisch #Erlösung

IMG_0271

Heute geht es um zwei Begriffe, die jeweils mit Erlösung zu tun haben. Legen wir los.

ga’al. Erlösen. Freikaufen.

Wenn sich ein Bauer verschuldet hatte und sein Land verkaufen musste, dann aber durch einen glücklichen Zufall doch das nötige Geld auftreiben kann und sein Land zurückkaufen kann, dann ist das ga’al.

Oder wenn bei einem Bürger die Geschäfte schlecht liefen und er sich bis zum Hals in Schulden verstrickte, aber dann sein Gläubiger ihm die Schulden erlässt, dann ist das ga’al.

Oder wenn ein Sklave auf einem Sklavenmarkt zum Kauf angeboten wird und jemand kommt, viel Geld hinlegt und dann sagt: Du bist jetzt frei, dann ist das ga’al.

Da gibt es diese eigenartige Geschichte in der jüdischen Bibel, die davon handelt, dass ein ganzes Volk von einer Supermacht versklavt wird. Das kam in der Antike schon mal vor, besonders wenn ein Krieg verloren ging, wurden die besiegten Völker versklavt. Aber diese Geschichte handelt davon, dass ein ganzes Volk freigekauft wurde. Ga’al. Im Text heißt es:

„Ich bin der HERR und will euch wegführen von den Lasten, die euch die Ägypter auflegen, und will euch erretten von eurem Frondienst und will euch erlösen (ga’al) mit ausgerecktem Arm und durch große Gerichte; ich will euch annehmen zu meinem Volk und will euer Gott sein, dass ihr’s erfahren sollt, dass ich der HERR bin, euer Gott, der euch wegführt von den Lasten, die euch die Ägypter auflegen, und euch bringt in das Land, um dessentwillen ich meine Hand zum Schwur erhoben habe, dass ich’s geben will Abraham, Isaak und Jakob; das will ich euch zu Eigen geben, ich, der HERR.“ – 2.Mo 6,6

Das ist mehr als ungewöhnlich, solch eine Geschichte gibt es nirgends sonst. Wie könnte jemand ein ganzes Volk freikaufen? Natürlich würden Reiche Menschen in der Lage sein, mehrere Sklaven zu erwerben. Aber ein ganzes Volk? Was müsste das für eine Summe sein? Wer könnte sich um solch eine Menschenmenge kümmern? Ein ganzes Volk wird erlöst? Eine seltsame Geschichte mit einem auffallend großen Horizont.

Nun wissen wir aus dem Neuen Testament, dass es Erlösung in Christus gibt, die Vergebung der Sünden (z.B. Eph 1,7). Dabei denken wir aber in der Regel an einzelne Menschen, die nach ihrem Tod bei Gott ankommen. Ich glaube, wir haben da unterwegs etwas verloren. Da wir als Christen die jüdische Welt des Neuen Testaments gerade erst wieder anfangen zu verstehen, scheint die Weite auch dieses Begriffs unter den Tisch gefallen zu sein. Gehen wir ein paar Schritte zurück.

Gamaliel.

Das war ein Rabbiner zur Zeit Jesu, unter dem auch der Apostel Paulus gelernt hat. Auf ihn geht ein Begriff zurück, der im jüdischen Verständnis sehr eng mit der Erlösung zusammenhängt:  Tikkun Olam. In den täglichen Gebeten der Juden wird dieser Begriff genannt. Man kann ihn übersetzen mit die Welt reparieren. Er klingt in Apostelgeschichte 3,21 an, wo von der Zeit gesprochen wird, in der Gott alle Dinge wiederherstellt.

Die Welt soll zurechtgebracht, geheilt und wiederhergestellt werden. Gamaliel hoffte, dass die Menschheit bald sehen würde, wie Gott durch seine Königsherrschaft Tikkun Olam – die Welt repariert. Andere Rabbiner haben diese Idee weitergedacht, so z.B. Rabbi Pinehas. Nach einer alten jüdischen Auslegung zum Schöpfungsbericht ruhte Gott am siebten Tag der Schöpfung, um die Vollendung der Welt von diesem Punkt an dem Menschen zu überlassen. Durch den Fall des Menschen blieb die Welt jedoch unfertig und seitdem hat die Menschheit den Auftrag, die unfertige und gefallene Welt wieder zurecht zu bringen. Gott übergibt die Schöpfungsaufgabe dem Menschen. Wenn das mal kein großer Horizont ist.

Manchmal wird Erlösung aber gerade nicht als Gottes Rettung der Welt verstanden, sondern als Gottes Rettung aus und vor der Welt. Erlösung wird zu einem Evakuierungsprojekt, zu einer Fluchtmöglichkeit in eine andere Welt über den Wolken, zu einer Lösung für ein individuelles Sündenproblem. Oder, wie es Brian Zahnd sagt: „Während wir an Jesus als den Retter unserer privaten Seele glauben, sind wir weitestgehend nicht überzeugt von seinen Ideen zur Rettung der Welt.“ Haben wir den Horizont verengt?

Jesus sagte seinen Jüngern einmal, dass er gekommen sei, um sein Leben zu geben als Lösegeld für viele. (Markus 10,45). Jesus war Jude. Er kannte die Exodus-Geschichte, in der Gott Israel erlöst hatte. Nun benutzt er dieselbe Sprache: Lösegeld, der Preis für einen Sklaven. Aber ihm geht es nicht um eine kleine Gruppe, um bloß einzelne Menschen. Er bezieht sich auf die Exodusgeschichte, auf die einzige Geschichte in der Weltliteratur, in der ein ganzes Volk freigekauft wird. Jesus hat den Preis für viele gezahlt, für die ganze Welt. Er benutzt eine Sprache, die den Horizont unglaublich weitet. So weit, dass jeder gerne mit eingeschlossen sein darf. Und so weit, dass jeder eingeladen ist, mitzumachen.

Weiter geht’s mit: Auferstehung.


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar