Wenn Gebet an seine Grenzen kommt (für Wenigleser)

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Vor einiger Zeit habe ich von einem Christen gelesen, der seit Jahren aufgehört hat zu beten. Es hat für ihn einfach keinen Sinn mehr gemacht. Denn seiner Erfahrung nach erhört Gott Gebet nicht.

Ich habe bis dahin nicht so viel drüber nachgedacht. Vielleicht weil es schmerzliche Fragen aufwerfen würde. Vielleicht weil ich die Antworten schon wusste: Ich glaube irgendwie auch nicht mehr so richtig ans Gebet.

Zu viele Geschichte, in denen Gott nicht so gehandelt hat, wie es richtig gewesen wäre. Zu viele Geschichten, in denen Christen platt und unglaubwürdig über Gebetserhörungen gesprochen haben.

Ich gehöre dazu.

Ich kann mit Gebet nichts mehr anfangen.

Das war vor einigen Jahren. Aber Dinge änderten sich. Durch Freunde, weise Theologen und andere guter Vorbilder lernte ich, Dinge anders zu sehen. Hier sind einige der Ideen, die mich geprägt haben. Ich fange mit einem einfachen Bibelvers an, der für mich zusammenfasst, was ich heute über das Gebet glaube:

„Siehe ich stehe an der Tür und klopfe an. Wenn jemand mir auftut, dann werde ich eintreten und das Abendmahl mit ihm zusammen essen.“ Offenbarung 3,20

Hier lernen ich etwas darüber, wie Gott in der Welt wirkt und wie Gebet funktioniert. Dazu drei Punkte:

  1. Gott steht an der Tür
  2. Gott klopft
  3. Jemand öffnet und Gott tritt ein.

Wir lernen hier, dass Gott sich auf die Menschen zu bewegt. Das erstaunliche ist aber, dass er an einer Stelle stoppt. Es gibt eine Grenze, die Gott einhält, er tritt die Tür nicht ein, wenn ihm nicht geöffnet wird. Interessanter Weise ist Gebet sehr häufig die Bitte an Gott, die Türe von jemandem anderen einzutreten. Wir erleben aber immer wieder, dass Gott vor diesen Türen stoppt. Wir werden mit Horror erfüllt, wenn Gott auch dann vor der Tür eines Menschen stoppt, wenn er sich dahinter schlimme Dinge ausdenkt, beispielsweise ein KZ oder ein anderes Verbrechen.

Warum stoppt Gott? Darüber streiten sich die Theologen. Eine Antwort ist, dass Gott dem Menschen einen freien Willen geben muss, damit es überhaupt eine Schöpfung als Gegenüber geben kann und nicht alles Gott ist. Daher könne Gott diese Türen nicht eintreten, selbst wenn er wollte. (Diese Frage ist tief und man könnte hier noch lange, kontroverse Debatten führen. Das würde aber wieder zu neuen Fragen führen – ich belass es hier einfach dabei). Die Erfahrung zeigt aber in jedem Fall, dass Gott vor Türen stoppt.

Das heißt aber nicht, dass Gott in dieser Welt untätig ist. Gott wirkt in der Welt. Der Vers redet davon, dass Gott klopft. Dieses klopfen ist eine tolle Metapher dafür, wie Gott in der Welt wirkt. Gott macht sich bemerkbar, er lädt den Menschen zu einer Handlung ein, aber er beschneidet nicht die Freiheit des Menschen. Wir erleben das Klopfen Gottes z.B. in Form von der Sehnsucht für das Gute. Gott lockt uns, damit wir uns für Ihn und für das Gute öffnen. Gott schafft also immer wieder Möglichkeiten, die wir wahrnehmen können, um Gutes in der Welt zu schaffen.

An dieser Stelle wird klar, was Gebet eigentlich ist. Es ist eben nicht, Gott dazu zu veranlassen, Türen gegen den Willen des Anderen einzutreten, es ist vielmehr die Reaktion auf das Klopfen Gottes an der eigenen Türe! Gebet ist, wenn ich selber mich Gott öffne.

Das hört sich zunächst so an, als wäre Gebet nur auf mich beschränkt. Weit gefehlt!

Zum einen sollte man bedenken, dass Gott im Gespräch mit jedem Menschen ist. Er klopft an jede Türe des Universums. Dadurch schafft Gott unheimlich viele Möglichkeiten für das Gute. Aber Gott hat es irgendwie so angestellt, dass das Gute nur gewinnt, wenn wir dabei sind. Gott wirkt in der Welt also relational, er sucht nach Partnern. Gott möchte mit der Schöpfung zusammenarbeiten, um das Gute zu schaffen.

Dann sollte man bedenken, dass wir Menschen keine isolierten Wesen sind. Wir sind in dieser Welt verbunden, wir werden beeinflusst, aber wir beeinflussen auch die Dinge um uns herum (schon einmal den Film Butterflyeffekt gesehen?). Die Soziologie fängt gerade erst an herauszufinden, wie diese Zusammenhänge funktionieren. Wenn Gott Zugang zu einem Menschen findet, dann eröffnet das neue Möglichkeiten. Öffne ich mich hier für Gott, dann kann das einen Einfluss auf das haben, was am anderen Ende der Welt passiert. Wir wissen einfach nicht, wo die Grenze dessen liegt, was Gott dann möglich ist. 

Morgen: Gebet als spiritueller Widerstand


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Kommentare

3 Antworten zu „Wenn Gebet an seine Grenzen kommt (für Wenigleser)“

  1. […] Vor einiger Zeit habe ich von einem Christen gelesen, der seit Jahren aufgehört hat zu beten. Es hat für ihn einfach keinen Sinn mehr gemacht. Denn seiner Erfahrung nach erhört Gott Gebet nicht… https://wirsindmosaikde.wordpress.com/2015/03/24/wenn-gebet-an-seine-grenzen-kommt-fur-wenigleser/ […]

  2. Avatar von Jo
    Jo

    Cooler Beitrag. Kannst du irgendwelche bestimmten Theologen empfehlen dazu?

    1. Avatar von wirsindmosaikde

      Servus, Danke! Hier ein Lesetipp: Walter Wink: die Verwandlung der Mächte. Oder: cathrine Keller: über das Geheimnis. Gott erkennen im werden der Welt.

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