Gebet – Teil 5

In meinem Inneren ist es eiskalt. Der Himmel ist allseitig verschlossen. Ich habe keinen Glauben. Man erzählt mir, dass Gott mich liebt, jedoch ist die Realität von Dunkelheit und Kälte und Leere so überwältigend, dass nichts davon meine Seele berührt – Mutter Theresa

Generell versuche ich in den Posts viele theologische Themen aufzugreifen und verwurste da ganz gerne viele interessante Dinge, die ich in furchtbar trockenen Büchern gelesen habe. Bei diesem Post geht das aber nur am Rand, letztlich wird es hier sehr persönlich.

Es geht darum, dass Gott auf Gebet manchmal mit Schweigen antwortet.

Beten kann eine richtige scheiß Erfahrung sein. Mal ehrlich, da spricht man ins Nichts und hofft, dass da jemand zuhört. Oder man betet im Stillen, das heißt man denkt die Gebete. Irgendwann drängt sich da doch der Gedanke auf, ob das nicht eine seltsame Form von Selbstgespräch ist?

Vielleicht bin ich der einzige Christ, der diese Erfahrung kennt, aber ich habe den Verdacht, dass es anderen auch so geht.

Für mich jedenfalls gehört der Zweifel immer mit dazu, er ist quasi ein ständiger Begleiter auf meiner Glaubensreise. (Wenn du das kennst, dann herzlich willkommen im Verein.)

Es wäre jetzt einfach, einer Form des Deismus anzuhängen: Die Welt ist wie eine große Taschenuhr, die Gott bei der Schöpfung aufgezogen hat. Nun läuft das Uhrwerk von selbst, Gott greift nicht mehr ein. Er ist raus aus der Nummer. (Eine fromm versteckte Form des Deismus meine ich darin zu erkennen, dass manche Gottes Reden allein und ausschließlich auf die Bibel beschränken. Somit stünde Gottes Reden uns ständig zur Verfügung. Aber auch das greift zu kurz, schließlich kann man auch hier die Erfahrung machen, dass der Text einem „nichts mehr zu sagen hat“).

Gegen jede Form des Deismus möchte ich mich allerdings mit Händen und Füßen wehren. Schließlich zeichnet die Bibel das Bild eines Gottes, der in dieser Welt involviert ist, der eingreift und in Jesus sogar Teil der Schöpfung geworden ist.

Und dann gibt es viele viele aktuelle Geschichten von Menschen, die davon berichten, wie sie Gottes Stimme hören und erleben, dass er ihr Gebet beantwortet. Auch wenn ich mir eine gesunde Skepsis behalten möchte, so fände ich es überheblich und ignorant, all diese Erfahrungen als psychologischen Unsinn abzutun.

Manche sagen dann, dass Gott immer im Gespräch mit uns ist, aber wir es vielleicht nicht wahrnehmen. Wir leben zu schnell, sind nicht aufmerksam genug, haben immer ein Paar Stöpsel im Ohr und sind in unserer Unterhaltungsgesellschaft permanent abgelenkt. Gott kommt einfach nicht durch. Im schlimmsten Fall sind es unsere Sünden, die Gottes Ansagen an uns ersticken lassen. Da ist auch sicher viel wahres dran.

Nur scheint Gott in der Schrift immer Mittel und Wege zu haben, seinen Worten Gehör zu verschaffen. Oft wird Gottes Reden mit Naturkatastrophen vergleichen (z.B. Psalm 29). Wenn Gott etwas zu sagen hat, dann ist es unüberhörbar. Gerade auch die Menschen, die sich den Worten Gottes entziehen wollen, werden von ihm erreicht (man denke zum Beispiel an Bileam).

Die Sache ist also komplexer.

Auch wenn es wenig sexy ist, aber eine mögliche Erfahrung mit Gebet kann die des Schweigens Gottes sein. Ich denke, es braucht viel Mut zu sagen, dass man gerade Gottes Schweigen erlebt. Denn vielfach wird das reflexartig als Zeichen dafür gesehen, dass etwas nicht stimmt. Folglich sagt man so etwas in christlichen Kreisen nicht gern offen. Denn damit nimmt man sich scheinbar jegliche geistliche Autorität und läuft Gefahr, vor anderen als ungeistlich zu gelten.

Also lieber nicht auffallen. Auch wenn das einsam macht.

Hörst du Gott oft nicht oder vielleicht überhaupt gar nicht? Dann sind diese Worte für dich:

Ich

auch

nicht.

Und ich denke, dass es Okay so ist.

Im ersten Buch Samuel gibt es einen kurzen, leicht zu überlesenden Nebensatz, der aber enorme Aussagekraft hat: „In jener Zeit waren Worte des Herrn selten; Visionen waren nicht häufig“ (1.Samuel 3). Das ist hier eine Feststellung, die nicht weiter erklärt wird. Es wird auch keine Wertung vorgenommen, nach dem Motto, diese Generation hat es nicht besser verdient. Gott hat in dieser Zeit nichts zu sagen gehabt. Manchmal ist das so. Punkt.

Noch nicht überzeugt?

Dann gehen wir zu Jesus. Er ist derjenige, der gesagt hat, dass er nur das sagt, was er den Gott hat sagen hören (Johannes 8). Aber in seiner dunkelsten Stunde am Kreuz, da betet er den Psalm 22:

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.“

Wenn du die Erfahrung machst, dass Gott nicht antwortet, dann bist du in guter Gesellschaft. Jesus selber ist es auch nicht anders ergangen. Und wenn diese Erfahrung einsam macht, dann ist es Jesus selber, der durch seinen Tod am Kreuz sich mit dieser Erfahrung eins macht.

(Ist es nicht bemerkenswert, dass das Kreuz in der Christenheit als zentrales Ereignis der Menschheitsgeschichte verstanden wird und gerade hier die enge Verknüpfung mit dem Schweigen Gottes besteht?)

Einige abschließende Gedanken.

Gemeinde sollte ein Ort sein, wo das Schweigen Gottes ebenso Platz hat, wie sein Reden. Wer Gott als schweigend erlebt, sollte deswegen nicht als aussätzig gelten. Wenn Gott gerade schweigt, dann ist das so. Man fange aber bitte jetzt nicht an, die Stille dadurch zu füllen, dass man fleißig darüber redet, was Gott doch alles zu sagen hat. Stille gilt es auszuhalten, nicht zu übertönen. Man verurteile sich auch nicht selber, als wäre es eine Frage von Schuld. Aber man werfe auch nicht die Zuversicht weg oder hänge das Gebet an den Nagel. Toll ist es, wenn man dabei andere findet, die ohne Verurteilung solche Phasen gemeinsam mit aussitzen oder für einen betet, wenn man selber gerade nicht mehr beten kann. Vielleicht gibt das die Kraft dem Deismus zu trotzen, die Spannung aufrechtzuerhalten und sich weiter danach auszustrecken, von Gott zu hören.

Das alles sind keine Lösungen, aber vielleicht ein Anfang.

– vom Jason


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Kommentare

Eine Antwort zu „Gebet – Teil 5“

  1. Avatar von Uli Marienfeld
    Uli Marienfeld

    Danke
    das ist eine Mut machenden Perspektive!
    Wie oft bleiben Fragen offen. Wie oft ist dieses Leben unerklärlich. Nur die “knows-it-all” haben Gott so fest im Griff, dass keine Frage offen bleibt. Wie wohltuend sind Menschen, die auch gerade angesichts des Schweigens Gottes ihre Anteilnahme ausdrücken können ohne falschen Trost zu geben. Extrem formuliert, wurde es einmal ausgedrückt: “Einen Menschen zu trösten, heißt seinen Schmerz nicht ernst zu nehmen.”
    Oder typisch in seiner Art meinte der Filmemacher Woody Allen: »Gott schweigt – wenn wir jetzt bloß noch die Menschen dazu bewegen könnten, die Klappe zu halten.«

Schreibe einen Kommentar